Die Saga vom Eisvolk 08 - Die Henkerstochter
Traum.«
»Ich weiß, Bruder, ich weiß«, nickte Liv. Dann gingen sie wieder hinein zu den anderen.
Hilde hatte Irmelin für die Nacht zu Bett gebracht. Die Kleine lag in ihrer eigenen Wiege, sie wollten es nicht in ihrem Ehebett schlafen lassen. Sie hatten zu viele beängstigende Geschichten gehört über Säuglinge, die von den Eltern im Schlaf erdrückt worden waren. Aber die Wiege stand gleich neben Hildes Bett, sie brauchte nur die Hand auszustrecken und »ihr einen kleinen Schubs zu geben, falls die Kleine wimmerte.
Mattias kroch ins Bett und blies das Licht aus. »Bist du glücklich?« fragte er.
»Wie könnte ich etwas anderes sein? Alles, wonach ich mich einst nicht einmal zu sehnen wagte, gehört jetzt mir. Ein Mann, den ich liebe, der gütigste auf der ganzen Welt, ein eigenes kleines Kind, ein Heim, wie es kein zweites gibt… Es ist ein wunderbares Leben, das mir zum Geschenk gemacht wurde - gerade weil ich nichts erwartete, ist es für mich wie ein Geschenk.«
»Auch für mich ist es überwältigend. Ich kann immer noch kaum glauben, daß es wirklich wahr ist.« »Vielleicht sollten wir dem Vogt dafür dankbar sein, was meinst du?« lächelte sie. »Eigentlich waren es ja seine schrecklichen Taten, die uns zusammengebracht haben.« »Ich glaube, er würde keinen großen Wert auf unseren Dank legen.«
»Nein, das würde er sicherlich nicht. Er hat es nicht als seine Aufgabe betrachtet, jemanden in Norwegen zu erfreuen.« Hilde schwieg nachdenklich. »Ich verstehe nicht ganz, warum Kaleb und Gabriella ihrer Tochter diesen Namen gegeben haben. Villemo. Gibt es einen solchen Namen überhaupt?«
»Das weiß ich nicht. Großmutter Liv war jedenfalls einverstanden.«
»Sie ist ein niedliches Kind«, sagte Hilde. »Das können wir wohl neidlos zugeben. Sie hat etwas Wildes an sich. Aber ihre Augen sind sanft - fast so wie deine.«
»Tatsächlich? Nun, unsere Tochter ist anders! Irmelin ist einfach süß und wonnig und lieb. Gott, wie ich dieses Kind liebe!«
»Ja«, seufzte Hilde glücklich. »Weißt du, ich finde, sie hat die humorigsten Augen, die ich jemals gesehen habe.« »Das finde ich auch«, sagte Mattias mit Nachdruck und zog seine Ehefrau, die sich die Wörter auf so eigenwillige Art zurechtbog, zärtlich an sich. »Aber tatsächlich kenne ich jemanden, der sein Kind noch mehr vergöttert als wir alle zusammen die unseren. Jesper war gestern hier und hat uns seinen Hoferben vorgestellt. Ich habe mir eine ganze Stunde lang anhören müssen, was der Kleine schon alles kann. Und du kennst ja Jespers Stimme, wenn er in Fahrt kommt!« »Und ob! Wie sieht der Junge aus?«
»Er hat helle Haare, wie sein Vater. Aber ansonsten hat er eigentlich einen recht wachen und munteren Blick.« »Den hat Jesper auch. Nur manchmal etwas verwirrt.« »Ja. Merkwürdig, wie seine Familie mit der unseren verknüpft ist. Sein Vater Klaus hat unsere Sol geliebt, heißt es. und anschließend hat er Ares späterer Frau Meta den Hof gemacht, und Silje hat ihn dann mit einer unserer Mägde verheiratet. Jesper ist zusammen mit Ares Söhnen aufgewachsen Brand und er waren zusammen im Großen Krieg, der dreißig Jahre gedauert hat. Und jetzt bekommt er einen Sohn, zur gleichen Zeit, wo Brands Sohn Andreas einen bekommt. Ich frage mich, ob sie unserer Familie auch in Zukunft so eng folgen werden.« »Meinetwegen«, lachte Hilde. »Ich weiß nur nicht, ob ich meine Tochter gerne mit einem von Jespers Söhnen verheiratet sehen möchte. Das sind keine standesmäßigen Vorbehalte, denn ich wäre wohl die letzte, die so etwas haben sollte, nur behagt mir diese Vorstellung so gar nicht.«
»Denkst du daran, was Jesper getan hat? Sein Vater Klaus soll genau dasselbe mit Meta versucht haben, sie trug einen richtigen Schock davon. Das war die Gelegenheit für Are, ihr einen Antrag zu machen. Ungefähr so wie ich bei dir.«
»Du meinst also, daß die Männer in Jespers Familie so etwas wie Amors ungeschliffene Gehilfen für uns sind?« »Wer weiß? O nein, jetzt fängt Irmelin wieder an zu schreien! Noch eine schlaflose Nacht!«
»Ich nehme sie, schlaf du nur«, sagte Hilde, wie es die meisten Mütter auf der Welt tun, hastig und nervös und voller Angst, daß der Mann ärgerlich auf das Kind werden könnte.
Obwohl diese Sorge in Hildes Fall ganz unnötig war. Mattias hatte seine »engelhaften« Eigenschaften nicht abgelegt, auch wenn er nun Familienvater war. Er übernahm seinen Teil der Nachtwachen bereitwillig und ohne viel
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