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Die Saga vom Eisvolk 09 - Der Einsame

Die Saga vom Eisvolk 09 - Der Einsame

Titel: Die Saga vom Eisvolk 09 - Der Einsame Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margit Sandemo
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1. Kapitel
    Das Schicksalsgewebe des Eisvolkes verschlang sich manchmal zu merkwürdigen Schleifen.
    Eine solche Schleife begann weit entfernt vom Kirchspiel Grästensholm im Bearn am Fuße der Pyrenäen. In dem gewaltigen Dom dröhnten die Kirchenglocken und ertränkten die Stadt in ihrem Geläut. Eine vornehme Kutsche verließ den Kirchplatz und fuhr zu dem Schloß, das sich im goldenen Sonnenlicht über der Stadt erhob. Zwei Frauen saßen im Inneren des Wagens nebeneinander, eine Mutter und ihre fünfzehnjährige Tochter. Beide wurden von den Menschen am Wegrand ergeben gegrüßt. Ohne den Kopf zu bewegen, sagte die Mutter: »Bück' nicht auf den Pöbel, Anette. Denk daran, was beim letzten Mal passiert ist, als du den Leuten zu gewunken hast!« »Ja, Mama.«
    Anette konnte auf ihrer Wange noch immer die Hand der Mutter fühlen, auch wenn seit der Ohrfeige mehrere Tage vergangen waren.
    »Sie sind schließlich unsere Untertanen«, fuhr die Mutter mit unbeweglichen Lippen fort. »Die Leute dieser Stadt sind nur zu unserem Wohle da, vergiß das nie. Ich habe wohl gesehen, daß du ihnen vorhin zugelächelt hast - sogar einem Jungen! Habe ich dich nicht gelehrt…« »Ja doch, Mama.«
    Ihre Hoffnung, der langen Tirade ein Ende gemacht zu haben, wurde schnell zunichte gemacht. Die beharrliche, ausdruckslose Stimme der Mutter fuhr fort:
    »Du bist bald erwachsen und mußt selbstverständlich verheiratet werden. Etwas anderes wäre vollkommen unpassend. Aber du weißt ja, was wir Frauen in der Ehe erdulden müssen. Nicht umsonst habe dir erzählt, was ich zu Lebzeiten meines seligen Mannes zu ertragen hatte. Solange die Männer uns Kinder verschaffen können, müssen wir uns mit ihren tierischen Gelüsten abfinden. Aber länger nicht, denk daran! Du bist nicht verpflichtet, sie auf deine Kosten Orgien der Wollust feiern zu lassen. Schließlich gibt es Möglichkeiten, das zu vermeiden. Du kannst Kopfschmerzen vortäuschen, oder noch besser: Migräne. Und bete vor allem zur Mutter Gottes, daß dein Mann seine schweinische Manneskraft verliert, wenn er dir zu der gewünschten Anzahl von Kindern verholfen hat.« »Aber Mama!« Anette war schockiert. »Warte nur ab! Denn genau das wirst du dir wünschen. Männer sind Schweine und Böcke und bringen nur Elend über dich. Können sie ihre Gelüste nicht zu Hause stillen, gehen sie zu Dirnen, und hinterher mußt du dann alles vertuschen. Das zehrt an den Kräften!« »Aber Papa war doch so lieb.«
    Die Mutter verzog das Gesicht zu einer nachsichtigen, tapferen Leidensmiene. »Ach, du kennst die Männer nicht! Denen fallen die schrecklichsten Liederlichkeiten ein. Sorge dafür, daß du vor deiner Heirat niemals mit einem jungen Mann alleine bist, Anette! Laß dich nicht mit schönen Worten verführen. Bitte die Mutter Gottes um Widerstandskraft, denn sonst werden sie dich mit ihren lasterhaften Händen befühlen, dich umgarnen und verführen. Gott schaut auf dich herab, vergiß das nicht! Die Jungfrau Maria sieht euch, denk daran! Bleib kalt und bete, bete! Und niemals, hörst du, niemals darfst du dich unpassenden und schamlosen Gefühlen hingeben! Sei immer Gott zu Gefallen! Nur Dirnen und gefallene Frauenzimmer lassen sich von der Nähe eines Mannes berauschen. Solch ein Frauenzimmer willst du doch wohl nicht sein?«
    Anette senkte den Kopf. »Nein Mama, das will ich nicht.«
    Hoffentlich war die Lektion für dieses Mal zu Ende. Jedesmal lief ihr ein kalter Schauer über den Rücken und rief in ihrem Körper ein unerklärliches, ekelhaftes Gefühl hervor, fast wie ein Kribbeln. Ihr wurde ganz übel davon. Die Lektion war zu Ende. Ihrer Mutter war eine kleine Frau aufgefallen, die mit einem Korb voller Gemüse vor dem Schloßtor saß. Die feine Dame befahl zu halten, lehnte sich aus dem Wagenfenster und ergriff die seitlich an der Kutsche befestigte Peitsche. Mit einem kräftigen Schlag vertrieb sie die Frau vom Tor.
    Sie lehnte sich zufrieden im Polster zurück. »Und gerade jetzt, wo unser Verwandter Jacob de la Gardie dich für ein halbes Jahr mit in seine neue Heimat nehmen will, möchte ich, daß du an meine Worte denkst. Jacob ist ja Reichsmarschall, du wirst also in den besten Kreisen verkehren. Sonst hätte ich es auch nicht gewagt, dich in dieses ketzerische Land reisen zu lassen. Er wird dafür sorgen, daß du keinen Gefahren ausgesetzt wirst. Außerdem bist du von mir richtig erzogen worden, meine ich.« »Aber ja doch, Mama«, versicherte Anette. »Nach dem, was ich

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