Die Sau und der Mörder
Namen
festgelegte Assoziationen, noch bevor er den Träger kennenlernte. Unter Franz
Spoden hatte ich mir einen wohlbeleibten Münsterländer vorgestellt, der rechts
wählte und lebte. Panhasliebhaber, Schützenvereinsmitglied und Fremdstecher auf
der Kegeltour. Für notleidende ghanaische Kinder warf er zwei Euro in den
Klingelbeutel und duzte sich mit dem Kaplan. Spoden erfüllte keine meiner
Vorstellungen.
Franzens
asketische Figur wurde von einem orangefarbenen Kaftan umhüllt. Das Haupthaar
war abrasiert; nur am Hinterkopf baumelte ein langer grauer Zopf, an dessen
Ende bunte Perlen eingeflochten waren, die vor sich hin klimperten, wenn er
sich geschmeidig wie eine Raubkatze bewegte. Er mochte um die sechzig sein,
wahrscheinlich Frührentner, und strahlte heller als ein ukrainischer
Atomreaktor.
»Dieter
Nannen«, ergriff ich wie paralysiert die knochigen Finger. »Bin ich hier
richtig bei Franz Spoden ?«
»Das war mein
Name im weltlichen Leben«, gruben sich seine Nagelspitzen in meine Hand.
»Bhagwan kommt aus dem Sanskrit und bedeutet Gesegneter, ein Name von Meister
Osho, was meinen Lebenszweck eher wiedergibt als Franz. Dieser Name kommt aus
dem Althochdeutschen und bedeutet so viel wie frei. Inwiefern sind wir Menschen
frei inmitten der karmischen Mühlen, frage ich dich, mein Sohn. Doch ich habe
einen Weg gefunden, das kosmische Drama zu überlisten .«
»Ihr
Serapionsbruder Grutz hat vor kurzem die Ebene der Seelenmanifestation
gewechselt«, versuchte ich mich in Eso-Slang.
»Ah, du bist
der Erleuchtete, der Hermanns Mörder seiner irdischen Gerechtigkeit zuführen
soll. Tritt ein in meine bescheidenen Hallen .«
Bhagwan
schwebte voran in eine Diele, in der mich zwei braun gefleckte Mischlingshunde
neugierig beschnupperten. Obwohl ihr letztes Bad am Tage von Meister Oshos
Eintritt ins Nirwana stattgefunden haben musste, streichelte ich sie.
»Vishnu und
Shiva sind meine Gefährten auf dem Weg zur Erleuchtung. Wir helfen uns
gegenseitig, uns höher zu inkarnieren«, verlor er sich ins Kryptische.
Die Diele war
zugestellt mit Statuen jeglicher Größe. Buddhas und indische Gottheiten mit
fünfzehn Armen oder Tierköpfen. Räucherstäbchen verbreiteten Sandelholzduft.
Ich war mir sicher, dass meine jüngst auferstandene Ex Bettina und Franz ein
ideales Paar abgeben würden.
Wir gelangten
in ein lichtdurchflutetes Wohnzimmer. Auch hier die bekannten Devotionalien.
Dazu Pyramiden aus Alabaster und Onyx. Statt Stühlen waren einige Kissen im
Sixties-Retro-Look im Kreis drapiert. Dazwischen qualmte aus einer Schale
Salbeiräucherwerk. Ich war schon ganz benebelt. Noch einige Stunden hier, und
ich würde genau wie Bhagwan die Welt aus dem irdischen Jammertal hinausleuchten.
»Ich bitte
dich, meiner niedrigen Behausung durch deine Anwesenheit Glanz zu verleihen«,
wies Franz auf ein Kissen. Schwerfällig ließ ich mich auf das Möbelsubstitut
sinken, während mein Gegenüber seine Beine geschmeidig im Yogisitz verknotete.
»Darf mein
Tee deine Lippen benetzen, Bruder ?« , bat der Poet.
Dankend lehnte ich ab.
»Du wirkst
dehydriert. Daher wirkt deine Aura etwas matt. Du solltest Flüssigkeit zu dir
nehmen«, zeigte sich Franz besorgt und stellte eine
mit Sanskrit-Hieroglyphen bepinselte Tasse vor mich. »Dieser
Fenchel-Brennnessel-Tee wird dich reinigen .«
»Sie wissen,
warum ich hier bin ?« , ignorierte ich Spodens Gesabber,
um den Fokus wieder auf den Zweck meiner Visite zu lenken.
»Du suchst
deinen Weg und hast einen Lehrer gefunden«, verlangsamte sich Bhagwans Stimme
hypnotisch. »Folge meinem Pfad des violetten Lichts, und dein Leiden wird
beendet sein .«
»Wir reden
über Mord, nicht über Unendlichkeit. Könnte mir gut vorstellen, dass Grutz
unter den Serapionsbrüdern nicht nur Freunde hatte .«
»Falls du
mich verdächtigen solltest, mein Sohn: Meine Botschaft ist die Liebe, nicht der
Hass. Du projizierst deine niedrigen Schwingungen auf mich«, lächelte Franz
breiter als die Grinsekatze aus Alice in Wonderland. Der Kerl war
komplett verstrahlt.
»Grutz hat
allerdings noch niedriger als du geschwungen«, schien er mir nun doch etwas
Brauchbares zu bieten. »Ich habe ihm mein Buch Pfad zum Licht gegeben.
Er hat es nicht kapiert. Nun reinkarniert der Gute in einer niedrigen Existenz .«
Genussvoll
nippte er an der Tasse mit dem übel stinkenden Gesöff, ohne seinen eigenen
sprachlichen Fauxpas auch nur zu registrieren: Kapiert reimt sich zwar
auf reinkarniert, hat aber doch im
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