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Drachenglut

Titel: Drachenglut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Stroud
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Zusammengerollt und verborgen vor Winternebeln und Sommersonne, liegt in einer Höhle unter dem Hügelgrab des alten Königs ein Drache.
    Seine nadeldünne Schwanzspitze reicht bis zu der rasiermesserscharfen Schnauze: Der Körper des Dr a chen verschließt den luftlosen Raum wie ein Riese n pfropfen. Der alte König, der einstmals stolz in der Mitte seines Goldschatzes saß, liegt nun in einer E cke – ein Knochenhaufen, der in die Dunkelheit g e fegt und vergessen wurde.
    Nichts regt sich in der Schwärze. Der Drache liegt still und schweigend da, als wäre er tot. Seit tausend Jahren oder länger hat er sich nicht gerührt, keinen einzigen Fingerbreit.
    Aber sein Verstand glüht.
    Das Feuer ist nur ein blutroter Punkt, der im Du n keln leuchtet, eine winzige Flamme aus Wut, Lust und Gier. In der Höhle gibt es keine Luft, aber der Drache braucht auch keine. Die Flamme seines Ver s tandes wird von ihrer eigenen weißen Wut genährt und brennt, brennt, brennt endlose Jahre lang.
    Weit droben in der leuchtend grünen Welt leben und sterben kleine Wesen mit hastenden Leibern. Aber hier in der Stille darf sich nichts verändern, und der Drache weiß schon lange, wie man die Zeit ei n fach ignoriert.
    Alle Erinnerungen hat er aus seinem Verstand he r ausgepresst. Und er gestattet dem Druck der Er d massen über ihm, alle Spuren auszulöschen, die das L e ben hinterlassen hat. Von Zeit zu Zeit reinigt er sich von seinen allerletzten Gedanken, sie steigen auf, dringen durch den Erdboden wie Luftblasen durch das Wasser im Meer. Schließlich erreichen sie die Oberfläche, schieben den Tau w eg, steigen von der Erde auf und hängen über dem Gras, bis ein Luf t hauch sie davonträgt.
    Der Erdboden, wo die verstoßenen Gedanken au f tauchen, ist dicht mit Fingerhutblüten und Glocke n blumen bedeckt und wird bewohnt von vielen leuc h tend bunten Eidechsen und kleinen Vögeln. Begierig nach dunklem Wissen beobachten sie von ihren Ve r stecken aus alles mit flinken Blicken und warten mit lautlosem Hunger.
    Nur selten – ein oder zwei Mal alle tausend Jahre – spürt der Drache die Erdmassen, die auf seinem R ü cken lasten. Dann lodert die winzige Flamme in plötzlichem Zorn auf, und hoch oben erbebt die Erde.
     
    Dann verstreichen wieder viele Jahrhunderte.
    Die Höhle sackt ein unter dem Gewicht der Grassamen.
    Der Drache rührt sich nicht.

Erster Tag
     
     
    1
     
    Der Junge schlief in der Senke unterhalb der Hüge l kuppe, als der Gedanke des Drachen von tief u n ten aus der Erde emporstieg. Er umhüllte langsam den Körper des Jungen wie eine riesige Seifenblase, d e ren schimmernde Oberfläche in der Sonne zittert und glitzert.
    Als er sich über die Brust und den Bauch ausbre i tete, bewegte der Junge sich unruhig, aber er wachte nicht auf. Sein Gesicht verzog sich kurz zu einer Grimasse – dann kroch die Blase zu seiner Kehle und über sein Gesicht, und plötzlich brach sein Atemg e räusch ab.
    Doch der Gedanke des Drachen stieg immer we i ter nach oben, wurde zu einer durchsichtigen Kuppel, bis der Junge ganz darin verschwand. Das aufg e schlagene Buch neben seiner Hand im Gras ging bei der Vereinnahmung durch den Gedanken in Fla m men auf.
    Zeit verging.
    Der Junge schlief im Licht der Nachmittagssonne weiter, während das Buch neben ihm brannte. Es brannte stoßartig mit einer zuckenden grüngelben Flamme, bis es nur noch feine weiße Asche war. E i ne leichte Brise strich über die Senke, aber sie e r reichte nicht das Innere des Drachengedankens, und das Aschehäufchen ruhte still auf dem Gras. Der Junge lag da wie eine einbalsamierte Mumie und a t mete den Gedanken stetig in sich ein.
    Hastige Bewegungen raschelten im Gras in der Senke. Winzige Eidechsen mit grünen und oranger o ten Schuppen suchten sich einen Weg zwischen Stechginsterzweigen und Heidekraut. Mit eifrigen, pfeilschnellen Bewegungen huschten sie näher an d ie Blase heran, bis sie eine nach der anderen in stetig wachsender Anzahl in sie hineindrangen. Zünglein züngelten und tranken von dem brennenden Geda n ken, während die Kleider des Jungen an den Rändern schwelten und sein Gesicht erblasste. Zeit verging.
     
    In das Nichts seines Schlafs trat eine rote Stille.
    Sie brachte einen plötzlichen Hunger mit sich, ein Schärfen der Sinne und eine nie gekannte drängende Sehnsucht. Ihm war, als hätte er seit einem Monat nichts gegessen, seit einem Jahr, seit hundert Jahren – obwohl ihm seine Mittagsbrote noch schwer im M a gen

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