Die Sau und der Mörder
meinem Golf und stieg aus. Müllers Palast war von einer
hohen Steinmauer umgeben. Ich drückte auf den goldenen Knopf der
Gegensprechanlage und wartete.
»Ja?« Eine
weibliche Stimme.
»Ich möchte
zu Herrn Müller .«
»Wie heißen
Sie, und in welcher Angelegenheit wünschen Sie Herrn Dr. Müller zu sprechen ?«
»Werner
Kemper. Sagen Sie Herrn Müller, dass ich ein Freund von Egon bin .«
»Einen
Moment, Herr Kemper.«
Meine Füße
hatten sich der Temperatur des Schnees angeglichen, als sich das Portal mit
einem Summen öffnete. Ich schritt durch eine von Hibiskussträuchern gesäumte
Allee auf den Arztpalast zu.
Eine ältere
Dame ganz in Schwarz öffnete.
»Guten Tag.
Gehen Sie bitte geradeaus in den Salon .«
Ich spazierte
über Perserteppiche durch einen langgezogenen Flur, von dessen Wänden mich
ausgestopfte Hirschköpfe anstarrten. Die Tür zum Salon wurde von zwei Säulen
eingerahmt. Der Hausherr schien begeisterter Jäger zu sein, denn dort standen
weitere ausgestopfte Tiere: Füchse, Fasane, sogar ein Leopard. Um einen
Glastisch, der nur zwei Zentimeter über dem Boden schwebte, saßen zwei Frauen und
futterten Croissants.
Die Ältere
stand auf. Sie trug ein rotes Kostüm, rote Schuhe und rote Strumpfhosen. Ihre,
wasserstoffblonden Haare waren zu einem Knoten zusammengesteckt. Ihr Alter lag
definitiv jenseits der vierzig.
»Guten Tag,
Herr Kemper. Ich bin Eleonore Müller. Mein Mann ist heute zur Jagd, aber meine
Schwägerin Sarah kennt einen Egon. Vielleicht kann sie Ihnen weiterhelfen.
Nehmen Sie doch bitte Platz .«
Ich tat wie
geheißen. Müllers Schwester war in meinem Alter. Sie hatte langes, braunes
Haar, das in Wellen über die Schultern fiel. Der beigefarbene Body enthüllte
mehr, als er verbarg.
»Sie sind
also ein Freund von Egon«, musterten mich ihre grünen Augen neugierig.
Ich nahm
nicht an, dass wir denselben Egon meinten. Da ich aber davon ausging, dass
Eleonore ihrem Mann von meinem Besuch erzählen würde, beschloss ich, eine
Andeutung zu machen. Vorher aber ein Croissant gegriffen und herzhaft
hineingebissen.
»Kaffee dazu ?« , blickte Sarah mich amüsiert an.
»Ich wäre
Ihnen sehr verbunden .«
Als auch das
erledigt war, legte ich los: »Ich bin wie Egon im Medizinbedarfshandel tätig.
Egon sagte mir, dass Ihr Bruder an Proben interessiert sei .«
Sie blickte
mich nachdenklich an: »So, Ihr Egon ist Vertreter. Meiner ist Rechtsanwalt,
Egon Mareck .« Sie kannte den Dicken nicht.
»Ich kann mir
auch nicht vorstellen, dass eine Frau Ihres Niveaus mit Medikamentenvertretern
verkehrt .«
»Auch wenn
ich Ihren Kollegen nicht kenne, heißt das nicht, dass ich auf Vertreter
herabblicke«, straften ihre Augen die Aussage Lügen.
»Wenn sich
das so verhält, darf ich Sie heute Abend sicherlich zum Essen einladen, um die
Annäherung der Gesellschaftsschichten weiterzudiskutieren.«
»Sie dürfen.
Aber warum sollte ich annehmen ?« , zwirbelte sie an
einer Haarsträhne herum.
»Sind meine
blauen Augen nicht Grund genug ?«
Ȇberredet.
Um acht im Palmenpalast«, klingelte ihr Lachen in meinen Ohren.
Ich schickte
den Rest Kaffee in die dafür vorgesehenen Organe, schnappte mir noch ein
Croissant und machte mich vom Acker.
Heute Nachmittag hatten sich Glück und
Pech wie so oft im Leben die Waage gehalten: Pech, weil Tobias zurzeit Hirschen
und Wildschweinen das Lebenslicht auspustete, Glück, weil ich ein Date mit
seiner Schwester hatte. Sie konnte man bestimmt ein wenig ausquetschen, und
außerdem gefiel sie mir.
Bettina hatte
den Hof freigeschippt, braves Mädchen. Die Haustür stand offen, nicht die beste
Idee bei den heutigen Temperaturen gepaart mit den derzeitigen Energiepreisen.
Mit einem »Habt ihr bei euch Säcke vor den Türen ?« betrat ich die gute Stube und wurde von zwei reizenden Ladys empfangen, Tine
und Karin. Allerdings fielen sie mir nicht freudestrahlend um den Hals, sondern
saßen still nebeneinander vor dem Kamin. Das Sprechen und »Um den Hals fallen«
fiel auch nicht leicht, wenn man gefesselt und geknebelt war.
Hinter mir
bewegte sich ein Schatten, dann verirrte sich ein stumpfer Gegenstand auf
meinen Hinterkopf. Während ich mich im freien Fall dem Boden näherte, überlegte
ich, warum immer ich als Sandsack missbraucht wurde.
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M ein gewaltsam geöffneter Mund wurde
mit einer ätzenden Flüssigkeit gefoltert. Ich schlug hustend um mich. Dabei
floss die Säure über mein Gesicht. Als ich die Augen öffnete,
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