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Die Scanner

Die Scanner

Titel: Die Scanner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Sonntag
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Schokoladentorten vor dem breiten Eingang des Baby Q. Eine dicke Metallkette hing vor der Tür. Ich entdeckte keine Fenster, aber dafür, was Baby Q überhaupt war. Die Preise für Cocktails ( Zonenfieber für fünf, Nador-Cola-Mix für acht) flimmerten über eine Leinwand.
    Ein Animator klappte aus einem kleinen Fenster. Er projizierte den Barkeeper vor den Eingang. »Heute ab 22 Uhr fünf Gläser Bieraroma für den Preis von zwei!« Es zischte, und ich spürte kalte Wassertropfen im Gesicht. Es roch tatsächlich nach Bier.
    Ich ließ mich noch fünfmal anzischen und sah eine andere Projektion in Rot über dem Eingang blinken. Nur Barzahlung. Kein Wunder. Getränke mit Nador waren ja nicht gerade das, was man legal nannte. Zumindest hätte in der A-Zone niemals eine Bar damit am Eingang werben dürfen.
    Ich sah drei Senioren nebeneinander auf dem Gehweg schlummern. Ein Motorradfahrer sauste ohne Helm an mir vorbei. Der rote Lockenkopf mit meiner Mobril! Ich strich mir mit der Handfläche quer über den Kopf. Fühlte mich mit der frisch rasierten Glatze unwohl.
    Wo war dieser Arne Bergmann? War das eine Falle, ein Hinterhalt? Aber wieso? Ich stellte mir vor, wie Nomos über seine Mobril von meiner Entführung erfährt. »100000 in bar, oder Rob wird mit zwanzig Gramm Nador in ein künstliches Koma versetzt.«
    Nomos hätte den Kontakt ohne groß nachzufragen gelöscht. Tausende Bewerber warteten vor der Tür von Ultranetz. In zwei Minuten hätte Nomos mich ersetzt. Und der nächste Buchagent hätte wie wir alle erst einmal ein unbezahltes Buchagenten-Praktikum gemacht. Wer ein Jahr keine Fehler machte, nichts kritisierte, der bekam den Job schließlich.
    Jemand presste von hinten mit den Händen kräftig auf meine Schultern. Ich drehte mich wütend um und sah in die schwarzen Mobril-Gläser eines älteren Mannes.
    »Bergmann …«, schrie ich.
    Ich irrte mich. Der ältere Herr vor mir war mit Sicherheit ein Jahrzehnt älter als Arne Bergmann. Speichel tropfte aus seinem Mund.
    »Schwester Susanne …« Mehr sagte er nicht.
    Er ging auf die Knie. Umschlang meine Beine und fiel wortlos zur Seite um. War das eine versteckte Botschaft für mich? Ich beugte mich zu dem Alten. Sein Puls schlug langsam. Aber er schlug. Dieses verflixte Nador hätte ihn fast umgebracht – und mich vor Schreck gleich dazu. Ich zog den Mann am Oberkörper so sanft wie möglich zu den drei auf dem Boden schlafenden Herren.
    Ich schaute mir seine Mobril an. Akku blinkte in roter Schrift auf den Gläsern. Gut so, eine Übertragung hätte mir gerade noch gefehlt. Ich richtete mich auf und sah endlich die Aufschrift an einem Gebäude, in dem wir bei einem Treffen bestimmt ungestört sein würden. Öffentliche Toilette. Waschräume.

Die Unterrichtsstunde
    Der alte Mann am Eingang lächelte mich vorsichtig an. Er saß an einem Plastiktisch. Gleich neben der Tür im Inneren des schlauchförmigen Raumes. Ein silberner Kasten mit der Aufschrift Mobiler Zahlungsempfänger lag vor ihm. Das Sicherheitssiegel der Zonenverwaltung blinkte grün.
    Der Mann trug einen weißen Pullover und weiße Hosen. Über die kurzen grauen Haare hatte er sich eine Duschhaube gezogen. In den runzeligen Händen hielt er ein kleines Büchlein mit vergilbten Seiten. So falsch konnte ich also nicht sein.
    Ich blieb vor ihm stehen. Stellte die Tüte mit den drei Schokoladentorten auf dem Tisch ab. Sein vorsichtiges Lächeln formte sich zu einem breiten Grinsen. Er hatte mehr Zahnlücken als Zähne.
    Entweder wusste er genau, wer ich war und zu wem ich wollte. Oder er hatte sich eine Nador-Pille als spätes Frühstück gegönnt. Wir blickten uns beide schweigend an. Ich war verunsichert. Bis er auf die Tüte zeigte.
    »Was ist das?«
    »Schokoladentorten.«
    »Welche Sorten?«
    »Zweimal mit Karamell und einmal mit Kirsche – ohne Aroma.«
    Er grinste noch breiter und nickte. Das waren die Antworten, die er hören wollte.
    »Linke Tür. Damen. Dritte Kabine von rechts. Torten bleiben hier.« Mehr sagte er nicht.
    Defekt stand auf dem Schild, das vor dem Türsensor hing. Ich schob die Tür auf. Hinter mir glitt sie zu und verriegelte sich. Für eine defekte Tür nicht schlecht, dachte ich. Nichts geschah. Ich las die Sprüche an den hellgrün gefliesten Wänden.
    Liefere Nador diskret und zuverlässig. Frag nach Steve im Baby Q.
    Zärtlichkeit im Alter? Such in Ultranetz nach C-Zonen-Lora.
    Und seitlich davon in Schwarz: Ich bin kein großer Dichter, ich bin viel schlichter.

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