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Wildwood - Das Geheimnis unter dem Wald: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Wildwood - Das Geheimnis unter dem Wald: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Titel: Wildwood - Das Geheimnis unter dem Wald: Roman (Heyne fliegt) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Meloy , Carson Ellis
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EINS
    Ein Junge und seine Ratte
    E s schneit.
    Schnee so weiß wie eine Schwanenfeder, weiß wie eine Waldlilienblüte. Vor dem Dunkelgrün und Braun des Waldes blendet dieses Weiß beinahe. Weich liegt es zwischen den stillen Ranken von Efeu und Brombeerbüschen, es türmt sich am Fuße der hohen Tannen auf und es überdeckt die kleinen Gräben in den Senken um die dicken Zedernwurzeln.
    Eine Straße windet sich durch den tiefen Wald. Auch sie ist von einer unberührten Schneedecke verhüllt.
    Ja, wenn man nicht wüsste, dass sich unter dem Weiß eine Straße befindet, wenn man nicht wüsste, dass dort Jahrhunderte von Schritten und Hufschlägen, Meilen von verwitterten Pflastersteinen unter dem Schnee verborgen liegen, könnte man glauben, es wäre einfach nur ein brachliegender Streifen Erde, aus irgendeinem Grund unberührt vom üppigen Grün des Waldes. Es gibt keine Radfurchen, keine Reifenspuren auf dieser Straße. Keine Fußabdrücke stören das zarte Weiß des Schnees. Man könnte sie auch für einen Wildwechsel halten, wo kein Baum Wurzeln schlagen konnte, weil ein ständiger Strom schweigender Wanderer dort hindurchzieht: Hirsche, Elche und Bären. Doch selbst hier, in dieser abgelegensten Gegend der Welt, sind keine Tierfährten zu sehen. Je länger es schneit, desto mehr verschwindet die Straße und wird zum Teil dieses endlosen, riesigen Waldes.
    Hör mal.
    Die Straße liegt still.
    Hör genau hin.
    Ein fernes Klappern durchbricht plötzlich diese Stille, es ist der Klang von Wagenrädern, begleitet vom Wiehern eines Pferdes, das an die Grenzen seiner Kräfte getrieben wird. Die Hufe des Pferdes trommeln einen wilden Rhythmus auf den Boden, einen Rhythmus, der vom Schnee gedämpft wird. Sieh nur: Da kommt eine Kutsche um die Kurve geschossen, zwei der vier Räder hängen kurz in der Luft. Zwei schweißnasse schwarze Pferde ziehen den Wagen, Dampfwölkchen steigen aus ihren Nüstern auf wie Rauch aus einem Kamin. Über den Pferden ragt ein Kutscher auf, ein großer Mann in dicken schwarzen Wollsachen und einem zerlumpten Zylinder. Bei jedem Hufschlag bellt er die Tiere barsch an, schreit »HÜA!« und »LOS, SCHNELLER!« Er spart nicht mit Peitschenhieben. Auf seinem Gesicht liegt ein Ausdruck tiefer Bestürzung. In den kurzen Momenten zwischen den Schlägen seiner Peitsche späht er argwöhnisch in den Wald um sich herum.
    Sieh genau hin: In der schlichten schwarzen Kutsche sitzt eine Frau, ganz allein. Sie ist in ein feines Seidengewand gekleidet, und ihr Gesicht ist von einem schimmernden rosa Schleier bedeckt. Mit leuchtenden Edelsteinen besetzte Ringe funkeln an ihren Fingern. In den Händen hält sie einen zarten Papierfächer, den sie unruhig auf- und zuklappt. Auch sie beobachtet die dicht stehenden Bäume zu beiden Seiten der Kutsche, als suchte sie jemanden oder etwas dazwischen. Ihr gegenüber steht eine prunkvolle Truhe auf dem Sitz, deren Seiten mit filigranen Mustern aus Gold und Silber verziert sind. Die Beschläge werden von einem Schloss zusammengehalten, dessen Schlüssel an einer dünnen goldenen Kordel um den Hals der Frau hängt. Nervös klopft sie mit dem Fächer an die Decke der Kutsche.
    Der Kutscher hört das Pochen und treibt die Pferde an, lässt noch mehr Peitschenhiebe auf ihre wogenden Flanken niedersausen. Eine jähe Bewegung weiter vorn auf der Straße erregt die Aufmerksamkeit des Mannes. Er blinzelt in das helle Weiß des rieselnden Schnees.
    Ein Junge steht mitten auf dem Weg.
    Aber das ist kein gewöhnlicher Junge. Dieser Junge trägt eine elegant verzierte Offiziersjacke, wie ein Infanterist aus dem Krimkrieg. Seine Haare sind schwarz und lockig und ragen unter einer derben Pelzmütze mit Ohrenklappen hervor. Beiläufig schwenkt er eine leere Steinschleuder. Auf seiner Schulter sitzt eine Ratte.
    »HALT!«, ruft der Junge. »DIES IST EIN ÜBERFALL!«
    »Du hast ihn gehört!«, brüllt die Ratte. »Bleib stehen, Fettwanst!«
    Der Kutscher stößt einen unterdrückten Fluch aus. Mit einer raschen Drehung des Handgelenks lässt er die Peitsche fallen und nimmt die Zügel in beide Hände. Er schnalzt ungeduldig damit, und die Pferde werfen sich nach vorn in ihren Galopp. Ein boshaftes Lächeln hat sich auf das Gesicht des Mannes gelegt. »HÜA!«, schreit er die gehetzten Pferde an.
    Der siegessichere Gesichtsausdruck des Jungen ist auf einmal wie weggewischt, und er schluckt sichtlich. »Ich … ich meine es ernst!«, stammelt er.
    Die aufgesprungenen Lippen des

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