Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Scanner

Die Scanner

Titel: Die Scanner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Sonntag
Vom Netzwerk:
immer gefreut, wenn Bücher von mir übersetzt wurden. Aber übersetzen, das ist eine Kunst für sich.«
    »Es dauert zwei Sekunden, und Ultranetz hat eine ganze Trilogie übersetzt!«, sagte ich.
    »Automatisch erstellt. Ohne Künstler. Also ohne menschlichen Übersetzer, und sprachlich …«
    »Sie moralisieren. Und Sie monologisieren«, platzte es aus mir heraus.
    »… und sprachlich, mit Verlaub, eine Zumutung«, setzte er unbeirrt fort.
    Der alte Mann klang wie einer der Schauspieler auf dem Klassikkanal. Mit Verlaub  – wer sagte denn so was noch?
    »Wenn das Buch aber kostenlos ist, kann kein Übersetzer bezahlt werden. Daher sind mit der Scan AG erst die Autoren bankrottgegangen und später die Leute, die deren Werke in andere Sprachen übertrugen.«
    Sollte ich jetzt Mitleid mit diesen Dinosauriern bekommen? Ihre Spezies war ausgestorben. Natürliche Auslese. Ich legte mir die Sätze aus dem Nomos-Seminar zurecht. »Die Scan AG sorgt doch erst dafür, dass überhaupt noch jemand die Autorennamen kennt! Der Ultranetz-Konzern erschafft ein einmaliges Archiv der Weltliteratur.«
    »Es ist ein Friedhof, den keiner besucht!«, sagte der schreibende Dinosaurier.
    Die Gehirnwäsche brachte mich langsam durcheinander. Ich wusste nicht mehr, was ich wissen oder glauben sollte. Ich brauchte Ruhe und Zeit, mein Bett und meine Mobril. Auf jeden Fall meine Mobril. Ich wollte Jojo kontaktieren. Was hätte er dazu gesagt? Hätte er ein paar Argumente für mich auf Ultranetz gefunden? Sicher hätte er Arne Bergmanns Organisation Contra geboten. Mehr als ich. Ich musste eine lächerliche Figur abgeben.
    »Mobril und Ultranetz – kannst du dir ein Leben ohne noch vorstellen?«
    Moment. Die Stimme dieser Frau kannte ich. Aus einem Mobril-Film oder einer Animation? Hmm. Wieso arbeitete ein Film-Promi für die Büchergilde?
    »Früher organisierte man mit Hilfe der Technik Proteste«, sagte sie.
    Ich versuchte, mich an ihre Filme zu erinnern.
    »Man verabredete sich zu Demonstrationen. Doch irgendwann gehörte alles nur noch einem Konzern. Und Konzerne wollen Geld verdienen! Keine Regierungen stürzen!«
    Eine ältere Darstellerin, so viel war sicher.
    »Die Regierung sagte: Abschalten! Und der Konzern deaktivierte Mobril-Verbindungen und zensierte alles, bis der Protest vorbei war.«
    Spielte sie in den Filmen die Guten oder die Bösewichte? Helden oder Verlierer? Ich kannte die Stimme, und am liebsten hätte ich sie gefragt, woher. Aber sie ließ keinen Raum für meine Fragen.
    »Ohne Technik hat man keine Chance mehr. Man weiß ja nicht einmal, wo die anderen wohnen. Man kennt nur die Ultranetz-Profile. Wie viele Proteste würde es wohl geben, ohne Ultranetz, ohne diese Ablenkungsmaschinerie?«
    Arne räusperte sich und beendete endlich die Vorstellung. Er erteilte mir noch eine Reihe altkluger Ratschläge.
    »Wenn wir uns treffen, suche den Weg nicht über Ultranetz.«
    »Wir werden uns nie wiedersehen«, sagte ich sehr leise und nur für mich.
    »Frage dich durch, erkundige dich bei Leuten, die keine Mobril tragen. Nomos und die Sicherheits-Scanner sind uns auf den Fersen.«
    Er schwieg kurz. Ahnte er etwas? Wusste er von dem Kopfgeld?
    »Alles was du mit deiner Mobril siehst, egal ob du sie sperrst oder nicht, können sie sehen. Alles was du in Ultranetz machst, beobachten sie. Deswegen mussten wir deinen Weg zu uns auch länger und komplizierter gestalten.«
    Ich dachte an den Verlust meiner geliebten Mobril, die teuren Schokoladentorten ohne Aroma, die kostspieligste Taxifahrt meines Lebens und schüttelte noch immer verärgert den Kopf. Konnte ja sowieso keiner sehen.
    Langsam sickerten Arnes Worte zu mir durch.
    »Wieso sollte Nomos deiner Meinung nach glauben, dass wir uns treffen?«, fragte ich.
    »Ich bin laut Nomos gefährlich. Darf ich das so behaupten?«, fragte Arne.
    »Stehst zumindest oben auf einer der Listen.«
    »Hat sich Nomos nach unserem gestrigen Treffen im Metro-Gleiter bei dir gemeldet? Nachdem Jojo ihn kontaktiert hatte? Hat er dich in die Zentrale gebeten?«
    Darüber hatte ich bisher nicht nachgedacht.
    »Nomos will, dass du mich triffst. Er will von dir zu uns geführt werden, zu unseren geheimen Orten. Nicht nur zu diesem Außenposten. Er will in das Herz der Büchergilde vorstoßen.«
    Arne wartete, und der nächste Satz versetzte mir einen Schlag. »Oder willst du dir das Kopfgeld alleine sichern und bist deswegen hier?«
    Mein Hemd klebte am Sessel. Nichts geschah. Keiner sagte etwas.

Weitere Kostenlose Bücher