Die Scanner
Der Pirat.
Ich versuchte die Tür wieder zu öffnen. Wollte mich bei dem lächelnden Herrn mit der Duschhaube nach Arne Bergmann erkundigen. Da bewegte sich hinter mir das Klosett. Genauer gesagt, es versank im Boden. Ein Loch öffnete sich. Ich wollte raus. Die Tür wollte das nicht. Ich rief nach dem Duschhauben-Mann am Eingang.
»Rob! Einfach den Stufen folgen«, kam es da von unten.
Ich erkannte die Stimme und beugte mich über das schwarze Loch. Die Öffnung hatte einen Durchmesser von etwa einem Meter. Ich sah ein paar Stufen und folgte ihnen.
Die Treppe endete nach 19 Schritten. Ich stolperte in einen dunklen Raum hinein und hörte, wie sich das Loch über mir mit einem Mzzzp schloss. Es war vollkommene Nacht und Stille.
»Direkt vor dir steht ein Sessel, mach es dir bequem.«
»Herr Bergmann, also ein wenig Licht …«
»… brauchen wir heute nicht. Nenn mich Arne, und bitte setz dich doch.«
Ich tastete mich voran und fühlte einen weichen Stoff unter meinen Händen. Ich setzte mich, wollte aber beim Thema Dunkelheit nicht lockerlassen.
»Herr Bergmann, ohne Licht …«
»… lässt sich ausgezeichnet reden. Du brauchst keine Bilder für das, was wir besprechen. Und übrigens, ich wiederhole mich, nenn mich doch bitte Arne.«
Arnes Stimme war so samtig wie der große Sessel, in dem ich versank. Ich holte Luft und wollte das mit dem Licht ausdiskutieren. Bis hierher lief nichts nach Plan. Das musste ich langsam ändern. Ich war dem Kopfgeld so nah, aber auch so fern wie nie.
Ich hatte Arne Bergmann vor mir. Mehr war nicht nötig. Die 500000 gehörten quasi schon mir. Aber wie sollte ich die Sicherheits-Scanner kontaktieren? Ich musste irgendwie aus dem Keller, eine Mobril finden, die Sicherheits-Scanner benachrichtigen und abhauen.
Vorerst konnte ich allerdings nirgendwohin. Also ließ ich mich auf das Gespräch ein. Ich wollte es hinter mich bringen.
»Wieso dürfen wir uns nicht sehen?«, fragte ich.
»Wir beide dürfen uns jederzeit sehen. Heute sind wir aber nicht alleine.«
Ich lauschte vergeblich ins Nichts.
»Einige von unserer Organisation interessieren sich für dich. Sobald wir dir vertrauen, wirst du sie kennenlernen. Die Büchergilde muss vorsichtig sein.«
Eine Organisation? Büchergilde? Die Gruppe kannte ich nicht. Die AMF (Anti-Mobril-Fraktion), die war bekannt. Das waren die, die in Mobril-Geschäften randalierten. Auch die UWB (Ultranetz-Widerstands-Basis) sorgte manchmal für Aufsehen. Angeblich steckten nur drei, vier Programmierer hinter dieser Gruppe.
Sie behaupteten, Ultranetz übe Zensur aus. Irgendwer würde entscheiden, was wir zu sehen bekamen und was nicht. Alles Quatsch. Zugegeben, bei meinem Ausflug in die C-Zone hatte ich so manches mitbekommen, das ich noch nirgends auf Ultranetz gesehen hatte. Und von Camp Hope 48 hatte ich auch noch nie gehört.
Aber ich hatte bis jetzt einfach nie nach solchen Dingen gesucht. Und bestimmt hatten sie ein schlechtes Ranking. Im Vergleich zur Anti-Mobril-Fraktion und der UWB klang Büchergilde auf jeden Fall wie ein netter Seniorenclub. Kein Grund also, dass ich in diesem dunklen Loch in Panik geriet.
»Wer seid ihr? Wer ist außer uns beiden noch im Raum? Wieso …«
Ich hörte, wie Arne tief Luft holte, und schwieg.
»Das sind viele Fragen auf einmal. Heute beantworte ich keine davon.«
Dann eben nicht, dachte ich mir. Ich wollte nach diesem Gespräch meine 500000. Es würde keine weiteren Treffen mehr geben. Es sei denn, ich würde Arne und seine Organisation im Zonengefängnis besuchen. Und das hatte ich nicht vor.
»Warum wolltest du mich treffen?«, fragte ich.
»Die Frage ist, wieso du gekommen bist. Du riskierst sehr viel.«
»Wieso wohl? Na weil, weil …«
Ich brachte den Satz nicht zu Ende. Mir fiel keine glaubhafte Lüge ein. Und ich hatte das ungute Gefühl, dass Arne die echte Antwort kannte.
»Du arbeitest als Buchagent«, sagte er. »Du suchst nach Lesern. Du kaufst ihnen ihre Bücher ab. Du scannst sie und überreichst sie Nomos. Weißt du, was Buchagenten früher gemacht haben?«
Diese Fragerei gefiel mir überhaupt nicht, so wenig wie alles andere, das seit dem Besuch des Sunshine Cafés geschah.
»Weiß nicht, worauf du hinauswillst«, sagte ich in den dunklen Raum.
Nicht Arne reagierte auf meinen Protest. Ich hörte eine ältere Frauenstimme.
»Ich hatte mehrere Schriftsteller, mit denen ich zusammenarbeitete. Die Autoren stellten mir ihre Buchprojekte vor. Ich suchte nach einem
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