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Die schärfsten Gerichte der tatarischen Küche

Die schärfsten Gerichte der tatarischen Küche

Titel: Die schärfsten Gerichte der tatarischen Küche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alina Bronsky
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gelogen. Das machen die Zeitungen immer.«
    John nickte.
    »Sie wird die Beste sein, sie wird auftreten, sie wird viel Geld verdienen«, sagte ich. »Ich habe nicht umsonst so viel Arbeit und Liebe in sie hineingesteckt. Es wird noch was aus ihr werden. Sie wird berühmt!«
    »Berühmt ist sie schon«, sagte John.
    Er hatte recht. Ich, die alles so schnell merkte, hatte verpasst, dass meine Aminat berühmt geworden war. Wahrscheinlich hatte ich mich zu viel mit Sulfia unterhalten. Jeder redete über Aminat. Zeitungen schrieben Sachen über sie, die sich widersprachen. Sie konnte nicht gleichzeitig in Kasan und in Swerdlowsk aufgewachsen sein. Sie konnte nicht gleichzeitig fließend und keinWort Tatarisch sprechen. Sie konnte nicht gleichzeitig Jungfrau, aidskrank und schwanger sein. An den Lügen merkte man – sie war längst ein Star.

[Menü]
    Lena
    Ich stellte fest, dass ich Aminat vermisste. Ich dachte, ich hätte mich an ihre Abwesenheit gewöhnt, es täte mir nicht mehr weh, es ginge mir gut – bis ich merkte, dass ich ohne sie doch nicht mehr konnte. Einerseits hatte ich sie rund um die Uhr. Ich sah sie immer im Fernsehen und hatte mir Zeitschriften gekauft, in denen es Poster von ihr gab, und eine erste CD, auf der sie mit Konkurrentinnen gesungen hatte. Das war, noch bevor sie gesiegt hatte. Das Lied wurde überall im Radio gespielt.
    »Ich will sie sehen«, sagte ich zu John. »Ich will sie sehen, bevor ich sterbe.«
    Ich stellte auch fest, dass ich alle Bitten, für die früher Gott zuständig gewesen war, inzwischen an John richtete. Wenn ich etwas Kleines oder Großes wollte, wandte ich mich einfach an John, das war unkompliziert und klappte schnell. Anders als Gott hatte John noch nie etwas missverstanden. Und ich musste mich nicht ständig entschuldigen und im Gegenzug nichts versprechen, wozu ich mich bei Gott verpflichtet gefühlt hatte. Das machte die Sache sehr leicht.
    »Ich muss sie sehen«, sagte ich zu John. Er nickte.
    Ich hätte mich nicht gewundert, wenn es eine Stunde später an der Tür geklingelt hätte und Aminat in einem Paillettenkleid aus ihrer letzten Show dagestanden hätte mit einem Blumenstrauß für ihre geliebte Großmutter. Aber es passierte nicht, nicht an diesem Tag und nicht am nächsten, sie rief nicht einmal an, und John schnitt seelenruhig die Rosen vorm Haus. Ich bedrängte ihn nicht, er war ja doch kein Gott.
    Das Telefon klingelte bei uns sowieso sehr selten, manchmal war Johns Tochter dran und manchmal Dieter, für den ich Lebensmittel kaufte und die Wohnung aufräumte. Auch er sammelte Zeitungsausschnitte mit Aminat und begoss sie mit seinen Tränen, er guckte die gleichen Shows, sah aber immer etwas völlig anderes als ich – dass sie ein Opfer des Fernsehens war.
    Doch nun klingelte das Telefon, und dran war ein junges Mädchen, dessen schüchternes Russisch ziemlich gebrochen klang.
    »Aminat!« rief ich, kaum bereit zu glauben, dass sie es wirklich war. »Aminat, hat dein glänzendes Tatarisch dein Russisch komplett verdrängt?«
    »Ich bin nicht Aminat«, sagte das Mädchen. »Ich bin Lena.«
    Lena. Wer war noch mal Lena, fragte ich mich, aber ich machte mir selber etwas vor. Ich wusste es, als wäre es gestern gewesen: das hässliche pausbäckige Kind, die Tochter von Sulfia und Rosenbaum. Lena! Die von Rosenbaum nach Israel entführt worden war, was Sulfia das Herz gebrochen hatte, diese Lena rief jetzt an. Wahrscheinlich hatte sie gehört, dass Aminat ein Star war, und wollte Geld. Ich beschloss, mich dumm zu stellen.
    Lena hatte bei Dieter angerufen, diese alte Nummer hatte Rosenbaum noch gehabt, und Dieter hatte ihr meine neue Telefonnummer diktiert. Sie sagte, sie werde nach Deutschland kommen, und bei der Gelegenheit wollte sie gern ihre Schwester kennenlernen und ihre Mutter, die ganze Familie also.Lena wusste nicht einmal, dass Sulfia mich fortan in einer Urne begleitete, und sie tat, als wüsste sie nichts über Aminats Erfolg. Ich tat meinerseits, als würde ich ihr glauben.
    »Wie geht’s deiner Großmutter?« fragte ich sie, davon ausgehend, dass sowohl die alte als auch der alte Rosenbaum längst tot waren.
    »Danke, sehr gut«, antwortete Lena heiter.
    An dem Tag, an dem Lenas Flugzeug landete, hatte ich Migräne. John fuhr mit seinem sandfarbenen Mercedes hin. Ich gab ihm Lenas Handynummer und beschrieb sie ihm, wie ich sie in Erinnerung hatte: großer Kopf, kurze Beine, kleine Augen, Fusselhaare.
    John nickte und reiste ab.
    Keine zwei

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