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Die schärfsten Gerichte der tatarischen Küche

Die schärfsten Gerichte der tatarischen Küche

Titel: Die schärfsten Gerichte der tatarischen Küche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alina Bronsky
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hatte, fuhr mit dem Finger über Sätze, die Aminat als Kind gesagt haben sollte, las vonDieters Bemühungen, mit seiner ganzen deutschen Genauigkeit die tatarische Küche von anderen Nationalküchen abzugrenzen, und von seinem Scheitern daran. Von seiner Verzweiflung, wenn er den Gegenstand seines Interesses von baschkirischen, kasachischen, usbekischen, aserbaidschanischen, jakutischen Einflüssen umringt sah und die Grenzen zu verschwimmen begannen – das war sicher etwas, was für ihn schwer auszuhalten gewesen war.
    Ich sah Skizzen und Karten, auf denen er versucht hatte, die Verbreitung tatarischer Stämme in längst vergangenen Zeiten nachzubilden, die keinen mehr interessierten. Ich vermutete, dass er sich das alles sowieso ausgedacht hatte. Und wie immer hatte er für das Unwichtigste das meiste Papier verbraucht und wohl auch die meiste Mühe aufgewendet.
    John hatte im Sessel Platz genommen. Ich nahm es ihm nicht übel, dass er es nicht geschafft hatte, Aminat zu mir zu holen. Das war das Einzige, das ihm bis jetzt nicht gelungen war, und er hatte immer noch eine bessere Quote als Gott.

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    Alle Zeit der Welt
    Eines Abends fuhren John und ich in die Oper, weil ich mir ein neues Kleid gekauft und John die Karten besorgt hatte. Ich streichelte die Seide auf meinem Schoß und das Leder meiner neuen Handtasche, da hielt John an einer Ampel, und ich blickte zur Seite. Ich sah eine geöffnete Tür, die in einen schwach beleuchteten Raum führte. Es war eine Kneipe, die »Istanbul« hieß, mit schmutzigen Fenstern, ein paar Tische und Stühle standen direkt auf der Straße, und ich zupfte John am Ärmel: »Können Sie mal anhalten?«
    Er parkte vor der Kneipe, wir hatten noch etwas Zeit. Ich nahm meine Handtasche, hakte mich bei John unter, wir betraten den Raum und setzten uns an einen Tisch. Er war mit einer Fettschicht überzogen, ich vermied es, ihn zu berühren, John lehnte sich zurück und schwieg.
    Aus einem Nebenraum erschien ein gedrungener Mann mit buschigem schwarzen Schnurrbart und den Augen eines geprügelten Hundes.
    »Geschlossen«, sagte er, und ich erkannte es an seiner Nase, er war kein Türke, er war Aserbaidschaner. »Geschlossen«, wiederholte er, aber ich rührte mich nicht, und John bat um die Weinkarte.
    »GESCHLOSSEN!« brüllte der Mann. »KEINE WEINKARTE! RESTAURANT GESCHLOSSEN FÜR IMMER.«
    Wir blieben sitzen.
    Er ging weg, raschelte und donnerte im Nebenraum und kam schließlich mit einer Flasche und drei Gläsern zurück.
    »Ihr seid die letzten Gäste«, sagte er. »Ich bin pleite.«
    Wir hoben unsere Gläser und tranken sie aus, ohne anzustoßen, wir respektierten seine Trauer. Sein Schnurrbart war schon ganz vollgesogen. Dann stand ich auf und ging in die Küche. Es roch nach verbranntem Öl und einem Gewürz, das mich an eine Kindheit erinnerte, die ich nie gehabt hatte. Ich entdeckte einen Schwamm und eine fast leere Flasche Spülmittel, drückte die letzten Tropfen raus und begann, die Arbeitsoberflächen zu reinigen.Der Kneipenbesitzer kam mir hinterher, er blieb in der Tür stehen, ich hörte ihn atmen, drehte mich aber nicht um.
    Er ließ mich wieder allein und unterhielt sich im Nebenraum mit John. Ich hörte nicht zu: Zahlen interessierten mich nicht. Ich weichte verkrustete Flecken ein und dachte an Aminat. Ich hatte in einer Zeitung gelesen, dass sie schwanger von einem Kanadier war, der in Wirklichkeit Inder war und dessen Clan in Toronto lebte. Ich glaubte ja inzwischen gar nichts mehr – aber das glaubte ich sofort. Aminat hatte nie auf mich gehört, sie machte immer das Gegenteil von dem, was ich von ihr gewollt hatte. Jetzt würde sie mir einen indischen Urenkel schenken, wenn da nicht noch mal etwas dazwischenkam. Ich dachte, dann soll es eben so sein, Hauptsache, das Kind heißt nicht Jacqueline.
    Ich hatte alle Zeit der Welt, um auf Aminat zu warten, und ich wollte mir diese Zeit gut vertreiben. John hielt schließlich immer, was er versprach. Drängen war unnötig, außerdem hatte ich ein bisschen Angst, ihn zu fragen, wann denn Aminat nun endlich zu mir zurückkehren würde. Ich hatte Sorge zu hören, Aminat sei schon da gewesen, ich hätte es bloß nicht gemerkt. Lieber befreite ich metallische Oberflächen von verkrusteten Essensresten und schickte einen stummen Dank an Gott, ganz automatisch, aus Höflichkeit, damit er sich nicht ganz unnütz vorkam.

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    Danke
    meinen Eltern, in Liebe und Bewunderung; meiner Großmutter Tatjana Zotova für

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