Die Schatten der Vergangenheit
hab dich zigmal darum gebeten …«
»Du hast mich darum gebeten, dich mitzunehmen, wenn ich sie töte.«
»Genau! Und jedes Mal, wenn ich es getan habe, hast du …«
Tom schnitt ihm das Wort ab. »Das ist nur ein kleiner Teil von dem, was ich tue, Benny.«
»Ja, mag sein, und vielleicht hätte ich mich ja irgendwie mit dem Rest deiner Arbeit arrangieren können, aber die coolen Sachen hab ich einfach nie zu sehen bekommen.«
»Am Töten ist nichts ›cool‹«, erwiderte Tom scharf.
»Ist es wohl – wenn es darum geht, Zombies zu töten«, konterte Benny.
Diese Worte brachten das Gespräch zum Erliegen. Tom verließ steifbeinig das Zimmer und rumorte eine Weile laut in der Küche herum, während Benny sich auf das Sofa warf.
Tom und Benny redeten nie über Zombies. Sie hätten allen Grund dazu gehabt, taten es aber nie. Benny konnte das einfach nicht verstehen. Er hasste Zombies. Alle hassten sie, doch bei ihm war es ein glühender, verzehrender Hass, der auf seine allererste Erinnerung zurückging. Denn diese Erinnerung bestand aus einem albtraumartigen Bild, das sich jeden Abend einstellte, wenn er die Augen schloss. Es war ein Bild, das sich ihm ins Gedächtnis gebrannt hatte, auch wenn es sich um ein Erlebnis aus seiner frühen Kindheit handelte.
Mom und Dad.
Mom, die schrie und auf Tom zurannte und ihm den zappelnden, gerade einmal 18 Monate alten Benny in die Arme drückte. Die schrie und schrie. Die ihm zurief, er solle weglaufen. Während das Wesen, das einmal Dad gewesen war, sich einen Weg durch die Schlafzimmertür bahnte, die Mom mit einem Stuhl, mit Lampen und allem, was sie finden konnte, zu verbarrikadieren versucht hatte.
Benny wusste noch, dass Mom etwas geschrien hatte, doch die Erinnerung war so alt und er selbst noch so klein gewesen, dass er sich nicht daran erinnern konnte, was sie genau gesagthatte. Vielleicht waren es ja gar keine Worte gewesen, sondern bloß Schreie.
Aber er erinnerte sich an die feuchte Wärme, als Toms Tränen auf sein Gesicht getropft waren, während er mit ihm aus dem Schlafzimmerfenster hinausgeklettert war. Sie hatten in einem Bungalow gewohnt. Ebenerdig. Das Fenster ging auf einen Hof hinaus, auf dem rote und blaue Lichter von Polizeiwagen blinkten. Auch hier Rufe und Schreie. Die Nachbarn. Die Bullen. Vielleicht die Armee. Im Rückblick vermutete Benny, dass es wohl die Armee gewesen sein musste. Und dann war da das fortwährende Knallen von Schüssen zu hören gewesen, sowohl in der Nähe als auch weiter entfernt.
Aber vor allem erinnerte sich Benny an ein einzelnes, letztes Bild. Während Tom ihn an seine Brust drückte, schaute Benny über die Schulter seines Bruders Richtung Schlafzimmerfenster. Mom lehnte sich aus dem Fenster und schrie ihnen etwas zu, während Dads blasse Hände sich aus der Dunkelheit des Zimmers schoben, sie packten und außer Sichtweite zerrten.
Das war Bennys älteste Erinnerung. Falls es welche gegeben hatte, die noch weiter zurücklagen, dann hatte dieses Bild sie ausgelöscht. Weil er noch so klein gewesen war, bestand die ganze Szene aus kaum mehr als bruchstückhaften Bildern und Geräuschen. Im Laufe der Jahre hatte Benny sich das Gehirn zermartert, um sich wieder jedes einzelne Puzzleteil ins Gedächtnis zu rufen, um jedem Fetzen Bedeutung und Sinn zuzuordnen. Benny erinnerte sich an das hämmernde Wummern von Toms panischem Puls und an ein lang gezogenes Wimmern – sein eigener, undeutlicher Ruf nach seiner Mom und seinem Dad.
Er hasste Tom dafür, dass er weggelaufen war. Er hasste ihndafür, dass er nicht geblieben war und Mom geholfen hatte. Und er hasste dieses Wesen, in das sich ihr Dad in jener Ersten Nacht vor all diesen Jahren verwandelt hatte. Genau wie er es hasste, wozu Dad seinerseits Mom gemacht hatte.
In seiner Vorstellung waren sie nicht länger Mom und Dad. Sie waren jetzt selbst wie die Wesen, die sie getötet hatten. Zombies. Und er hasste sie mit einer Inbrunst, die heißer und stärker brannte als die Sonne.
»Alter, was läuft da eigentlich zwischen dir und den Zombies?«, hatte Chong ihn einmal gefragt. »Du tust so, als hätten sie irgendwas gegen dich persönlich.«
»Was denn? Soll ich sie jetzt vielleicht auch noch ins Herz schließen, oder wie?«, hatte Benny zurückgegiftet.
»Nein«, räumte Chong ein, »aber ein bisschen mehr Verhältnismäßigkeit wäre schon nicht schlecht. Ich meine … jeder hasst doch Zombies.«
»Du nicht.«
Chong hatte nur die schmächtigen Achseln
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