Die Schattenkämpferin 1 - Das Erbe der Drachen
»Ja«, raunte Sulana leise, als er um ihre Hand anhielt. Und nur für einen kurzen Augenblick schämte sie sich ihrer Schwäche.
Man kann nicht bis in alle Ewigkeit stark sein, hatte sie sich gesagt und auf die Lippen gebissen, während ein triumphierendes Lächeln über das Gesicht ihres Bräutigams huschte.
Die Hochzeitsvorbereitungen wollten kein Ende nehmen. Bankett, Zeremonien, Anproben für ihr Brautkleid - unzählige Entscheidungen waren zu treffen, und Sulana beobachtete sich selbst, wie sie all das erledigte. Irgendwann schien es nicht mehr ihre eigene Stimme zu sein, die erschöpft Anweisungen gab und Befehle erteilte. »Ja, die Lilien in die Mitte der langen Tafel.« - »Gewiss, ich werde dem Minister baldmöglichst für sein reizendes Geschenk persönlich danken.« Dohor war nicht bei ihr, hielt sich von ihr fern. Seit er um ihre Hand angehalten hatte, hatten sie kaum noch ein Wort miteinander gewechselt.
Wie wird er zu mir sein? Wird er liebevoll sein? Werde ich ihn lieben können? Gewiss, es war eine Vernunftehe und nicht mehr. Dohor würde König werden und sie endlich den Frieden finden, den sie sich wünschte. Allerdings hatte sie als kleines Mädchen im mer davon geträumt, mit jemandem zusammenzuleben, den sie liebte. Und so betrachtete sie doch voller Hoffnungen ihren künftigen Ehemann, der ebenfalls mit Vorbereitungen beschäftigt war. Verborgen hinter einem Brunnen in dem großen Palastgarten beobachtete sie ihn heimlich. Entschlossen und selbstsicher erschien er ihr, auch schön mit seinem schlanken, muskulösen Körper. Allerdings strahlte er auch etwas Beunruhigendes aus. Vielleicht war es sein Lächeln oder auch bestimmte Gesten, jedenfalls erschrak sie darüber und fühlte sich gleichzeitig davon angezogen. Ein Geheimnis umgab ihn, die Tatsache, dass sie füreinander Fremde waren.
Sie begann zu glauben, dass sie ihn liebte. Und wenn sie ihn liebte, würde Dohor vielleicht ihre Gefühle erwidern können.
Die Zeremonie wollte kein Ende nehmen. Höflinge, Könige, Prinzen, Krieger, Minister, die üblichen Speichellecker ... Einer nach dem anderen beugte das Knie vor dem königlichen Brautpaar. Lächelnd saß Sulana auf dem Thron, ließ eine Hand sanft auf der ihres Gatten ruhen. Doch niemand schien sie wirklich anzuschauen. Die Blicke der Gäste durchdrangen sie, und sie fühlte sich unsichtbar, auch für Dohor, der ganz von seiner Rolle als König eingenommen war.
Nur Ido schien sie wirklich zu sehen. Er trat vor sie hin mit Soana am Arm, der Frau, die er liebte und mit der er zusammenlebte. Die Zauberin, vor langer Zeit schon einmal Mitglied im Rat der Magier, hatte diese Stellung wieder eingenommen, nachdem ihr Nachfolger Sennar die Aufgetauchte Welt verlassen hatte. Ido schenkte der Braut eine Blume und ein Lächeln, in dem viel Verständnis lag. Die Königin erwiderte es von Herzen, und dies zum ersten Mal, seit dieser nicht enden wollende Tag begonnen hatte.
Von ganz anderer Art war der Blick, den der Gnom ihrem Gatten zuwandte.
Nicht offen feindselig, aber äußerst kühl. Zunächst schien Dohor es nicht zu bemerken.
»Unser verehrter Oberster General!«, rief er. »Erhebt Euch, erhebt Euch!« »Danke, Majestät«, grummelte Ido.
»Ist es nicht eigenartig, dass Ihr nun vor mir niederkniet? Bis gestern war es noch umgekehrt.«
Sulana fand die Bemerkung unpassend, schrieb sie jedoch dem Wein und der Erregung anlässlich des großen Ereignisses zu.
»Tja, so schnell kann sich das Schicksal ändern«, fuhr der König fort. Soana versteifte sich, was Sulana sofort bemerkte.
»Die besten Wünsche für Euch und Eure Gemahlin, auf eine lange, friedliche Herrschaft«, sagte die Magierin mit einem Lächeln.
»Danke, danke«, entgegnete Dohor knapp, ein wenig pikiert, und wandte sich wieder Ido zu. »Jedenfalls werde ich nicht vergessen, dass ich in erster Linie ein Drachenritter bin, der seine soldatischen Pflichten nie vernachlässigt. Ist es nicht ein großes Glück für dieses Land, nun einen kriegserfahrenen König zu haben?« »Lebten wir in Zeiten des Krieges, wäre es dies zweifellos.«
»Eben, und niemand kann vorhersehen, wann es wieder zum Krieg kommen wird ...«
»Ich danke Euch nochmals für die Ehre dieser Einladung. Lang lebe das Herrscherpaar«, erklärte Soana hastig und verneigte sich noch einmal. Mit verwirrter Miene tat Ido es ihr nach.
Während sich die beiden entfernten, spürte Sulana, dass die Hand ihres Gemahls leicht zitterte. Sie blickte ihn an, doch
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