Glut der Versuchung
Erstes Kapitel
Wie erstaunlich, dass ein Gentleman eine vollkommen Fremde bittet, seine Mätresse zu werden, ohne sich ihr überhaupt vorgestellt zu haben.
Miss Roslyn Loring an Fanny Irwin
London, im Juni 1817
»Man sagt, er wäre ein fantastischer Liebhaber. «
Eine solch provokante Bemerkung konnte Roslyn Loring unmöglich ignorieren, und so wanderte ihr Blick quer durch den überfüllten Ballsaal zum fraglichen Gentleman, der eben eingetroffen war.
Persönlich hatte sie den gut aussehenden, verwegenen Duke of Arden noch nicht kennengelernt, allerdings schon unzählige Geschichten über ihn gehört. Er war ein Bild von einem wohlhabenden Aristokraten. Sein helles Haar schimmerte bernsteinfarben im Schein der Kronleuchter, seine eindrucksvolle, elegante Gestalt war in einen capeartigen Umhang gewandet - das einzige Zugeständnis an die Kostümpflicht bei diesem Ball.
Da er keine Maske trug, waren seine auffallend schönen Züge für jedermann und vor allem für jede Dame gut sichtbar. Tatsächlich schien seine Anwesenheit sämtliche Gäste zu begeistern, außer Roslyn. Ein ganzer Schwarm Ballschönheiten mühte sich darum, von ihm beachtet zu werden.
»Und was macht ihn so fantastisch?«, fragte Roslyn, die eine gewisse Faszination verspürte, wenngleich ihr die Ankunft des Dukes alles andere als willkommen war.
Ihre Freundin Fanny Irwin lächelte. »Seine sinnlichen Fertigkeiten natürlich, meine Liebe. Man erzählt sich, er könnte Damen zum Weinen bringen. «
Hinter ihrer Maske zog Roslyn die Brauen hoch. »Was, um Himmels willen, ist so kunstfertig daran, eine Dame zum Weinen zu bringen? «
»Zum Weinen vor Wonne, meine Liebe. Arden ist außergewöhnlich, weil er einer Frau außergewöhnliche Freuden zu bescheren vermag. «
»Das kann ich mir nicht vorstellen.«
Fanny antwortete mit jenem melodischen Lachen, das nicht unerheblich zu ihrem Erfolg als begehrteste Kurtisane Londons beigetragen hatte. »Ich hoffe nicht! Immerhin hast du keinerlei Erfahrung in solchen Dingen. Dennoch sind Männer selten, denen die Befriedigung ihrer Gespielin ein Anliegen ist oder die gar ihr Vergnügen über das eigene stellen. Liebhaber dieser Couleur sind von unschätzbarem Wert. «
Roslyn wurde nachdenklich. Sie war heute Abend hergekommen, um einige Erfahrungen zu sammeln. Allerdings hatte sie nicht das geringste Verlangen, mit dem Duke zu beginnen. Arden war ein enger Freund ihres neuen Vormunds, des Earl of Danvers, der sich unlängst mit ihrer älteren Schwester Arabella verlobt hatte. Daher wollte Roslyn vom Duke hier, auf dem skandalträchtigen Maskenball der Freudendamen, nicht gesehen werden. Schließlich würde sie ihm in zwei Wochen bei der Hochzeit ihrer Schwester offiziell vorgestellt, und es wäre nicht auszudenken, sollte er sich bei der Gelegenheit entsinnen, sie auf diesem Maskenball bemerkt zu haben.
Zweifellos wäre seine Durchlaucht entsetzt ob ihres kühnen Ausflugs ins Glitzerreich der »Demimonde«. Arabella zufolge stand Arden der Verlobung seines Freundes äußerst kritisch gegenüber. Er wollte nicht glauben, dass Lord Danvers sich Hals über Kopf und unsterblich in die älteste Loring-Schwestern verliebt hatte.
Und nun, da sie ihn sah, konnte Roslyn sich seine zynische Reaktion lebhaft vorstellen. Seine kantigen, klaren Züge waren bemerkenswert attraktiv, und sein Auftreten entsprach dem, was Roslyn von einem Aristokraten seines Rangs erwartet hätte: elegant, selbstbewusst und ein bisschen gebieterisch. Andererseits gaben Arden wohl sein beträchtliches Vermögen und sein Einfluss das Recht, arrogant zu sein, vermutete Roslyn.
Dass er überdies in dem Ruf stand, ein solch ungewöhnlicher Liebhaber zu sein, überraschte sie allerdings.
Ihre Gedanken wurden von Fanny unterbrochen, die mit ihren freizügigen Bemerkungen fortfuhr: »Nicht, dass ich persönliche Erfahrungen mit dem Duke vorweisen könnte. Er zieht es vor, immer nur eine Mätresse auf einmal zu unterhalten. Fraglos dürfte er aus diesem Grund heute hergekommen sein - um sich eine neue Mätresse zu suchen.«
»Was ist mit der letzten geschehen? «, fragte Roslyn.
»Sie erhob Besitzansprüche, meine Liebe, ein Kardinalfehler, wenn man einen Gentleman behalten möchte. Vor allem bei einem Adligen wie Arden, der die freie Auswahl unter den Damen hat. «
Er schien die Ware zu begutachten, wie Roslyn aus der gelassenen Art schloss, mit der sich der Duke im Ballsaal umschaute. In dem Moment streifte sein Blick sie
Weitere Kostenlose Bücher