Die Schatzinsel (Original)
drei- oder vierhundert Guineen. Ich denke, wir waren alle froh, daß wir ihn so billig los wurden.
Na, um eine lange Geschichte kurz zu beenden: wir bekamen ein paar Mann an Bord, hatten eine gute Heimfahrt, und die Hispaniola traf in Bristol ein, als Herr Blandly gerade dran dachte, das zweite Schiff auszurüsten. Nur fünf Menschen von allen, die auf der Hispaniola ausgesegelt waren, kamen auf ihr nach Hause.
»Suff und der Teufel holten den Rest« – das konnte man wohl sagen! Allerdings war es uns nicht ganz so schlimm gegangen, wie jenem anderen Schiff, von dem es in dem Liebe hieß:
›Nur ein einziger Mann am Leben blieb
Von fünfundsiebzig an Bord!‹
Jeder bekam einen reichlichen Anteil von dem Schatz und wandte ihn weise oder töricht an, je nach seiner Veranlagung.
Kapitän Smollett hat sich jetzt vom Seeleben zurückgezogen.
Gray legte nicht nur sein Geld auf die Kante, sondern er fing an, eifrig seinen Beruf zu studieren, da in ihm plötzlich der Wunsch erwachte, es weiter zu bringen; er ist jetzt Steuermann und Mitbesitzer eines schönen Vollschiffs; außerdem ist er verheiratet und Familienvater. Ben Gunn bekam tausend Pfund, die er in drei Wochen vergeudete oder verlor – oder genauer gesagt: in neunzehn Tagen; denn am zwanzigsten war er wieder da und bettelte uns an. Da bekam er einen Posten als Parktorwächter, genau so, wie er auf der Insel es vorausgesehen hatte. Er ist noch am Leben, ein großer Liebling aller Kinder, obgleich sie sich manchmal über ihn lustig machen, und ein hervorragender Kirchensänger an allen Sonn- und Feiertagen.
Von Silver haben wir nichts mehr gehört. Der gefährliche Seemann mit dem einen Bein ist spurlos aus meinem Leben verschwunden; aber ich vermute, daß er seine alte Negerin wieder getroffen hat; vielleicht lebt er noch ganz behaglich mit ihr und seinem Papagei, Käpp'n Flint, zusammen. Man muß es wohl hoffen – denn seine Aussichten auf Behaglichkeit in einer anderen Welt sind sehr gering.
Die Silberbarren und die Waffen liegen, soviel ich weiß, noch an derselben Stelle, wo Flint sie vergraben hatte; und sicherlich sollen sie meinetwegen dort liegen bleiben. Ochsen und Wagenseil könnten mich nicht mehr auf diese verfluchte Insel bringen, und meine schlimmsten Träume sind es, wenn ich die Brandung am Strande der Schatzinsel donnern höre, oder wenn ich im Bett auffahre und Käpp'n Flints gellende Stimme mir noch in den Ohren klingt:
»Piaster! Piaster!«
35. Nachwort
Der Verfasser der „Schatzinsel“, der Schotte Robert Louis Stevenson, wurde im Jahre 1850 in Edinburgh geboren. Er war anfangs Architekt, sattelte dann aber zum Rechtsanwalt um. Ein Lungenleiden, dem er schon im Jahre 1894 erliegen sollte, nötigte ihn jedoch, seinen Beruf aufzugeben. Die Eindrücke und Erinnerungen von seinen zahlreichen Reisen, vor allem nach Amerika und Australien, boten ihm die Grundlagen zu vielen Abenteuerromanen, in denen die Romantik der Ferne in bewegten Handlungen zum Ausdruck kommt. So einfach und natürlich diese Erzählungen sich aufbauen, sind sie doch wohlüberlegte, hohe Kunst, in denen Natur- und Menschenleben in scharf ausgeprägten Gestalten unvergesslich geformt werden.
Stevenson hat selbst erzählt, wie „Die Schatzinsel“ - mit englischem Titel „The Treasure Island“ - entstanden ist. Er musste, um eine starke Erkältung auszuheilen, mehrere Wochen in einem schottischen Landhaus verbringen. Dort verlebte auch ein Schuljunge seine Ferien, der sich die Zeit mit Zeichnen und Malen vertrieb. Der Dichter wurde durch seinen Eifer angesteckt und half ihm, immer buntere Zeichnungen zu entwerfen. So entstand eines Tages die Landkarte einer Insel, die mit aller Liebe sorgfältig und schön bunt ausgeführt wurde. An diesem Zufallserzeugnis entzündete sich die Einbildungskraft des Dichters. Küsten, Berge, Wälder, Straßen, Flüsse und Hafenplätze belebten sich mit Menschen eigner Art. Sie jagten großen, verborgenen Schätzen nach, und so war der Name „Schatzinsel“ gegeben. Auf einem Blatt Papier schrieb Stevenson eine Liste der Kapitel nieder, die die Geschichte haben sollte. Es musste eine Erzählung für Jungen werden. Aus den Gestalten, die die Insel beleben sollten, sprang John Silver, der Schiffskoch, heraus, dieser großartig geniale Mensch, der doch als ein ausgemachter Schurke darzustellen war. „Der Schiffskoch“ sollte die Erzählung daher auch anfangs heißen. Nach dem Mittagessen pflegte der Dichter seiner Familie
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