Die Schiffe der Kleopatra
Er trug eine kurze Tunika aus dunklem Leder mit einem bronzebeschlagenen Gürtel, an dem Schwert und Dolch in einer Scheide hingen. Um Knöchel und Handgelenke hatte er sich nach Gladiatorenart Lederbänder gewickelt. Er sah angemessen verwegen aus, und die Seeleute machten einen großen Bogen um ihn.
Piraten sahen wir keine, dafür aber jede Menge anderer Schiffe, hauptsächlich bauchige Handelsschiffe mit ihren kurzen schrägen Fockmasten, ihren dreieckigen Marssegeln und den schwanenhalsartigen Achtersteven. Es war Beginn der Handelssaison, und auf dem Meer wimmelte es von Schiffen, beladen mit Wein, Getreide, Fellen, Töpferwaren, Metallbarren und waren, Sklaven, Vieh, Textilien und Luxusgütern: Edelmetalle, Färbstoffe, Duftöle, Seide, Elfenbein und zahllose andere Kostbarkeiten. Einige der Schiffe hatten ausschließlich Weihrauch für die Tempel an Bord, und aus Ägypten kam eine ganze nur mit Papyrus beladene Flotte.
Bei all diesen kostbaren Frachten, die einfach so und praktisch unbewacht durch die Gegend schipperten, nahm es nicht wunder, dass ein paar unternehmungslustige Räuber der Versuchung, sich zu bedienen, nicht widerstehen konnten. Es war vollkommen ausgeschlossen, dass ein schwer beladenes, langsames Handelsschiff mit spärlicher Besatzung einem schnittigen Schlachtschiff entkommen konnte, das von muskulösen und bis an die Zähne bewaffneten Piraten gerudert wurde. Am besten, man holte die Segel ein und ließ die Schläger an Bord kommen und sich nehmen, was immer ihr Herz begehrte.
So lukrativ dieses Gewerbe auch war, an Land richteten die Piraten weit schlimmere Verwüstungen an. Sie überfielen die Küsten, plünderten kleine Dörfer und einsam gelegene Villen, nahmen Gefangene, um Lösegeld zu erpressen oder sie auf dem Sklavenmarkt zu verkaufen, und machten sich ganz allgemein zum Schrecken und Alptraum aller gesetzestreuen Menschen. Es gab endlose Meilen Küste, und nur ein Bruchteil davon konnte durch Küstenwachen geschützt werden.
Ich vermute, das ruchlose Gewerbe der Piraterie gibt es seit der Erfindung des seetüchtigen Wasserfahrzeugs. Wenn wir Homer glauben wollen, war sie einst eine ehrbare Berufung, der sogar Könige und Helden nach gingen. Prinzen auf der Überfahrt von oder nach Troja und dem dort wütenden Krieg dachten sich nichts dabei, unterwegs über ein ahnungsloses Dorf herzufallen, alle Männer zu töten, Frauen und Kinder in die Sklaverei zu verkaufen, sämtliche Weinvorräte zu leeren und das Vieh zu verspeisen. In den guten alten Tagen hatten Helden dergleichen aus schierer Abenteuerlust oder zur körperlichen Ertüchtigung getan. Vielleicht waren also diese Piraten, die ich jagen sollte, gar keine richtigen Verbrecher, sondern lediglich altmodisch.
Wie auch immer, wir bekamen keinen von ihnen zu Gesicht, was nicht heißt, dass sie uns nicht sahen. Sie würden nie ein Kriegsschiff angreifen, und wenn es noch so klein war. Das bedeutete nur Prügel und keine Beute. Also versteckten sie sich in ihren kleinen Buchten, die Masten ihrer Schiffe umgelegt, und waren schon aus ein paar hundert Schritten Entfernung praktisch unsichtbar.
Was ich ebenfalls nicht sah, waren Kriegsschiffe. Natürlich war ein Großteil der römischen Flotte durch den Transport von Waren und Männern für Caesar in Gallien gebunden, aber ich hatte zumindest erwartet, die Schiffe unserer zahlreichen maritimen Verbündeten zu Gesicht zu bekommen. So hatte beispielsweise Rhodos damals noch eine eigene Flotte. Doch es sah so aus, als hätte man sich allgemein darauf verständigt, dass Rom, da es sich ohnehin alles Land unter den Nagel riss, auch den Küstenschutz übernehmen konnte.
Nach und nach wuchs sich die Kette der Gipfel am Horizont zu einer erkennbaren Insel aus, und einer schönen dazu, auch wenn Zypern nicht ganz so reizvoll war wie Rhodos. Die Hänge waren mit Tannen, Erlen und Zypressen und wahrscheinlich auch Myrte und Bärenklau bewachsen. Jedenfalls ist das die Art Vegetation, von der die Poeten dauernd schwärmen. Ich fand jedenfalls, dass es nett aussah, aber wenn ich lange genug auf dem Wasser gewesen bin, finde ich auch karge Felsen schön. Der Hafen von Paphos liegt an der Westküste der Insel, und die Stadt erwies sich als eine mondäne Kommune im enechil Stil, will sagen, sie paßte sich mit ihren Tempeln an allen herausragenden Plätzen perfekt an die Gegebenheiten der Landschaft an. Zumindest hier hatten die Ptolemäer ihre übliche Vorliebe für Kolossalarchitektur
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