0494 - Hexen-Polterabend
Sie wehrte sich nicht einmal. Sie lief neben den drei Hexen her, hatte auch den Schrei vernommen und wußte, daß er auch ihr gegolten hatte. Möglicherweise als Willkommensgruß, denn allein auf sie hatte die andere Seite gewartet.
Und sie hatte sich Zeit gelassen.
In der Hölle spielten Stunden, Tage, Monate oder auch Jahre keine Rolle. Der Teufel bezeichnete sich selbst als unendlich. Er war ungemein arrogant, denn er ging davon aus, daß er es sein würde, der immer gewann.
»Du hast ihn gehört?« wurde Jane gefragt. Marthel hatte sich an sie gewandt. Diese Person war ebenso häßlich wie die beiden anderen Hexen, die auf die Namen Osina und Ulana hörten.
Drei uralte Weiber, die einmal sehr schön gewesen waren, diese Schönheit aber ihrem Herrn und Meister geweiht hatten, eben dem großen Abandur.
»Ja, er war nicht zu überhören.«
»Dann ist er da. Sie haben ihn empfangen. Denn nur Abandur ist würdig, so empfangen zu werden. Verstehst du?«
Jane nickte. Sie verstand alles, doch sie schaffte es nicht, sich dagegen zu wehren. Die andere Seite war einfach stärker gewesen, und sie hatte ihren Plan schon vor langer Zeit geschmiedet.
Jane hatte es gespürt. Es waren die bösen Träume gewesen, die sie in der Nacht überkamen.
Schlimme Alpträume, die ein schlechtes Gewissen hinterließen. Sie hatte kaum versucht, sich dagegen zu wehren, es hatte keinen Sinn gehabt, die Rufe waren nicht verstummt, und der Druck hatte sich verstärkt.
Ohne daß ihre Freunde es richtig merkten, war Jane Collins zu einer anderen geworden.
Zwei Briefe hatte sie geschrieben. Einen Abschiedsbrief an John Sinclair und einen anderen an Jerry Stern, einen Anwalt, der ebenfalls in den Diensten des Teufels stand. Der zweite Brief beinhaltete einen dreifachen Mordauftrag.
John Sinclair, Suko und Glenda Perkins sollten getötet werden. Abserviert durch schwarzmagische Kräfte.
Jane hatte sich dagegen nicht wehren können, und sie war nach dem Besuch der Hexe Edwina weggefahren, um sich an einen bestimmten Ort zu begeben, wo die drei anderen auf sie warteten.
Sie hatten Jane empfangen wie eine Schwester und führten sie nun dem Ziel entgegen.
Sie wußte nicht genau, was sie dort erwartete. Eines jedoch war sicher. Abandur würde auf sie warten. Sie hatte etwas von einem Hexen-Polterabend gehört, und sie konnte sich gut vorstellen, daß sie es sein würde, die an der Seite des längst verstorbenen und wiedererweckten Hexenmeisters die Braut spielen mußte.
Als Hexe zurück zu den Hexen!
Alles andere zählte nicht mehr. Die Mühe ihrer Freunde, sie wieder in den normalen Lebenskreislauf zu integrieren. Das alles lag hinter ihr, war vorbei, nicht einmal Lady Sarah Goldwyn hatte es geschafft, sie im Haus zu behalten, obwohl Jane bei der alten Dame eine neue Heimat gefunden hatte.
Sie dachte auch nicht mehr an ihre Freunde. Das lag zurück, das war vergangen, ein flüchtiger Rausch, jetzt schaute sie nur mehr nach vorn und paßte sich ihrem nächsten Schicksal an.
Ein neuer Abschnitt in ihrem Dasein würde beginnen. Wahrscheinlich der letzte…
Das wußten auch ihre drei Begleiterinnen. Sie waren vom großen Meister ausgesucht worden, Jane Collins an seine Seite zu führen, um den Polterabend zu feiern.
»Er freut sich!« jauchzte Ulana. »Er spürt, daß seine Braut schon in der Nähe ist.« Sie schaute ihre Artgenossinnen an. »Kommt, wir wollen keine Zeit mehr verlieren. Das wird die Nacht der Nächte.«
Sie setzten ihren Weg fort. Die Umgebung hatte sich verändert. Sie war wilder und ursprünglicher geworden, nicht mehr so zivilisiert wie nahe der Dörfer und kleinen Ortschaften. Hier war das Gelände hügelig, da wuchsen die dunklen Waldstreifen wie langgezogene Inseln. Dazwischen breiteten sich saftige Wiesen aus. Kleine Mulden wechselten sich ab mit langen, bewachsenen Hängen. Der Duft frischer, wilder Blumen wehte durch die Luft. Sogar ein leichter Fliedergeruch war zu vernehmen.
Das blühende Wiesenschaumkraut zeigte einen hellen Teppich inmitten des Grüns, und am Himmel glotzte der Mond wie ein leicht verzerrtes gelbes Auge.
Wolken umrundeten ihn, schoben sich manchmal vor seine Fläche, als wollten sie ihn verstecken, überlegten es sich schnell wieder anders und wanderten weiter.
Der Ort lag nicht einmal sehr weit von London entfernt, dennoch war er einsam genug, um das durchführen zu können, was sich die Hexen und ihr Meister vorgenommen hatten.
Der Schrei war längst verklungen. Dennoch lag keine
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