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Die schlafende Armee

Die schlafende Armee

Titel: Die schlafende Armee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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dann schüttelte er kaum merklich mit dem Kopf. »Nein«, sagte er, »aber...«  »Das reicht, Unteroffizier Lehmann«, unterbrach ihn Hartmann kalt. »Wir klären die Angelegenheit später.« In Lehmanns Augen zeigte sich purer Haß. »Ich ... habe mich nur verteidigt«, antwortete er trotzig. »Sie haben einen Mann umgebracht, der auf unserer Seite stand«, erwiderte Hartmann zornig. »Lassen Sie ihn, Leutnant«, mischte sich Charity ein. »Er hat ihn nicht getötet.« Hartmann drehte sich mit einem fragenden Blick zu ihr um. »Der Schuß hat ihn nur gestreift«, sagte Charity. »Ich habe es genau gesehen. Kyle wird es überleben.« »Machen Sie sich nichts vor!« schnauzte Hartmann grob. »Selbst wenn er noch am Leben war, haben ihn diese Dreckfresser längst in Stücke gerissen. Ich glaube nicht, daß sie besonders glücklich über unseren Angriff sind.« Charity zog es vor, nicht mehr darauf zu antworten. Hartmann hätte schon blind sein müssen, um nicht zu merken, daß mit Kyle irgend etwas nicht stimmte; aber ganz offensichtlich wußte er nicht, was ein Megakrieger war. Das halbe Jahrhundert, das er und seine Männer eingegraben unter den Ruinen dieser Stadt verbracht hatten, hatte ihn offensichtlich auch von allem isoliert, was außerhalb dieser Stadt vorging. Und vielleicht war es für alle besser, wenn es noch eine Weile so blieb.
     
    *
     
    Das Donnern der Explosionen war längst verklungen. Über ihnen mußte das Gebäude zusammengestürzt sein, denn der Raum hatte minutenlang geschwankt wie ein Boot auf hoher See, und von der Decke waren Steine und Trümmer herabgeregnet. Danach war Ruhe eingekehrt, nur die Decke strahlte plötzlich eine mörderische Hitze aus, als regnete es Feuer. Zuerst war die Hitze nur unangenehm gewesen, aber bald wurde sie zur Qual, und seit einigen Minuten hatte Helen das Gefühl, nicht mehr atmen zu können. In ihrer Lunge saß ein stechender Schmerz, der immer schlimmer wurde. Sie blinzelte, um die Tränen fortzuwischen, die ihr die Hitze in die Augen trieb. Trotzdem konnte sie kaum etwas sehen. Von den Fackeln, die den Raum erhellt hatten, ehe die Welt über ihren Köpfen zusammenbrach, brannte nur noch eine einzige, und die staubgeschwängerte Luft schien das rötliche Licht aufzusaugen. Mehr als die Hälfte des Kellergewölbes war eingestürzt. Dort, wo der Eingang gewesen war, rieselte noch immer Staub von der Decke, manchmal begleitet vom Poltern eines Steines, und dann und wann von einem tiefen, mahlenden Knirschen. Unsicher plagte sich Helen auf, fuhr sich mit dem Handrücken über das Gesicht und fühlte warmes Blut. Erst dananch spürte sie den brennenden Schmerz. Vorsichtig tastete sie mit den Fingerspitzen über ihre Stirn und fuhr zusammen, als sie die tiefe, heftig blutende Wunde an ihrer linken Schläfe berührte. »Keine Angst, Schätzchen«, sagte eine quäkende Stimme neben ihr. »Dein Kopf ist noch dran.« Durch den Staub sah Helen Gurk auf sich zukommen. Der Umhang des Zwerges hing in Fetzen, und auf seiner Glatze prangte eine gewaltige Beule. Mit trippelnden Schritten kam er näher, rieb sich die heftig tränenden Augen und maß Helen mit einem besorgten Blick. »Alles in Ordnung?« »Ich ... denke schon«, antwortete Helen zögernd. Außer dem verletzten Techniker, Gurk und ihr selbst hatten sich im Augenblick der Katastrophe etwa fünfzehn Jared in dem Gewölbe aufgehalten. Doch niemand schien unverletzt davongekommen zu sein. Die meisten Jared lagen reglos am Boden, von Steinen und Erdmassen getroffen, einige krümmten sich stöhnend, und nur sehr wenige hatten noch die Kraft, auf eigenen Füßen zu stehen. Hastig drehte Helen sich zu dem bewußtlosen Techniker herum und beugte sich über sein Gesicht. Sie war keine Ärztin, aber das Leben, das sie die vergangenen fünfundzwanzig Jahre geführt hatte, hatte ihr zwangsläufig ein gewisses Wissen vermittelt. Soweit sie das beurteilen konnte, schien der Mann keine schweren Verletzungen davongetragen zu haben. Ihr Blick löste sich von Sterns Gesicht und heftete sich für einen Moment auf den faustgroßen, grünschillernden Käfer, der sich in seiner Halsschlagader verbissen hatte. Sein Körper pulsierte im ruhigen Takt von Sterns Herzschlag; zumindest hätte es für jeden anderen so ausgesehen. Doch Helen wußte, daß das nicht so war. Es war das ruhige Pumpen der Käferkreatur, die den rasenden Puls des Verwundeten beruhigt hatte, nicht umgekehrt. Und dieses Tier tat noch sehr viel

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