Die schlafende Armee
eine blutige Nase holen.« Charity zog es vor, nicht weiter mit Hartmann zu streiten. Vielleicht hatte er ja sogar recht. Und vielleicht hatten sie wirklich eine reelle Chance, sich gegen die Invasoren zu erheben und sie sogar zu schlagen. Neugierig beugte sich Charity vor und musterte das komplizierte Instrumentenpult des Stealth-Copters. Der Pilot neben ihr nahm den Helm ab. Er war sehr jung, vielleicht Mitte Zwanzig, aber Piloten, die solche Hochleistungsmaschinen flogen, mußten jung sein, denn nur ihre Reaktionen waren schnell genug, mit den Anforderungen fertig zu werden, die diese Geräte an den Menschen stellten. »Es ist ein hübsches Spielzeug«, sagte der Pilot stolz. •»Sie würden sich wundern, was man alles damit anfangen kann.« Eine kleine Kostprobe davon habe ich gerade bekommen, dachte Charity bitter. Aber sie ließ sich von diesem Gedanken nichts anmerken, sondern fragte: »Wo ist der Steuerknüppel?« Der Pilot wollte antworten, aber bevor er es tun konnte, machte Hartmann eine rasche, befehlende Handbewegung, die Charity nicht entging. Ganz offensichtlich glaubte Hartmann, daß sie nicht wußte, was ein Alpha-Helm war, in Wahrheit war sie wahrscheinlich der erste Mensch auf der Welt gewesen, der einen solchen Helm getragen hatte. Manchmal, dachte sie, hatte es vielleicht sogar gewisse Vorteile, wenn selbst Verbündete noch Geheimnisse voreinander hatten. »Die Maschine ... braucht kein Steuer«, antwortete der Pilot ausweichend. »Das machen alles die Computer.« Charity sah ihn zweifelnd an, und dann deutete er mit einem beinahe verlegenen Lächeln auf ein kleines Schaltkästchen, das in der Armlehne seines Sitzes eingelassen war. »Und den Rest erledige ich damit«, sagte er. Er konnte nicht wirklich glauben, daß sie ihm diese Behauptung abkaufte. Ein Flugzeug, das von seinem Piloten die Reaktionsschnelligkeit einer Katze verlangte, über eine Tastatur steuern zu wollen, die allenfalls zu einem Spielzeugcomputer paßte, war eine geradezu haarsträubende Lüge. Als Charity etwas entgegnen wollte, deutete Hartmann nach oben. Ein silberfarbener Schatten raste über den Himmel heran. Mit angehaltenem Atem verfolgte sie, wie der Gleiter kaum eine Meile an ihrem Versteck vorüberflog und langsam wieder außer Sicht kam. Hartmann atmete hörbar auf, nachdem das Fahrzeug verschwunden war. Trotzdem schüttelte er den Kopf, als der Mann im Pilotensitz ihn fragend ansah und seinen Helm wieder aufsetzen wollte. »Noch nicht«, sagte er. »Es ist besser, wir warten noch ein paar Minuten.« »Wieso?« fragte Charity spöttisch. »Wollen Sie noch ein bißchen Zeit herausschinden, ehe Sie sich vor Ihrem Vorgesetzten verantworten müssen?« »Verantworten?« wiederholte Hartmann verwundert. »Weswegen?« »Sie haben drei meiner Begleiter auf dem Gewissen«, sagte Charity. Hartmann reagierte ganz anders, als sie erwartet hatte. Statt aufzufahren oder ihre Worte mit einer spöttischen Bemerkung abzutun, blickte er sie sehr lange und sehr ernst an. Ein Ausdruck echter Betroffenheit war in seinem Gesicht zu lesen. »Es tut mir leid, wenn Sie es so sehen«, sagte er schließlich. »Aber glauben Sie mir, ich konnte nichts dagegen tun. Das Mädchen und der Zwerg waren einfach im falschen Moment am falschen Ort. So etwas kommt nun einmal vor, wenn man Krieg führt.« »O ja!« antwortete Charity höhnisch. »Und für Kyle gilt dasselbe, nicht wahr? Was mußte er auch dort herumlaufen, wo Lehmann mit seiner Waffe hinzielte?« Hartmann blickte verwirrt. »Wie bitte?« Charity begriff plötzlich, daß Hartmann gar nicht bemerkt hatte, was Lehmann mit Kyle angestellt hatte. »Er hat ihn niedergeschossen«, erklärte sie schließlich. »Völlig grundlos.« Ohne ein weiteres Wort verließ Hartmann die Steuerkanzel. Charity folgte ihm. »Ist das wahr?« fragte Hartmann mit mühsam beherrschter Stimme, kaum daß er neben Lehmann angelangt war. »Was?« Hartmann deutete anklagend auf Charity. »Captain Laird behauptet, Sie hätten ihren Begleiter niedergeschossen.« »Ich hatte keine Wahl!« verteidigte sich Lehmann. »Der Kerl hat mich angegriffen!« Ich mußte mich wehren!« »Angegriffen?« sagte Charity. »Er war mehr als zehn Meter von Ihnen entfernt!« »Aber er wollte es tun!« sagte Lehmann trotzig. »Er griff nach seiner Waffe. Ich ... ich war sicher, daß er schießen würde.« »Hat er auf Sie angelegt?« fragte Hartmann kalt. Lehmann blickte ihn eine Sekunde lang unschlüssig an,
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