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Die schlafende Stadt

Die schlafende Stadt

Titel: Die schlafende Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Steiner
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Unterdrücker. Früher sprach man vom »Wasser der Wandlung« , oder dem »Brunnen des Überganges« .“
    Beda bedeutet Dankwart plötzlich, still zu sein. Er deutete auf das Wasser. Ein Baby schwamm dort. Winzig war es, doch machte es typische Schwimmbewegungen. Dann tauchte es wieder in die Tiefe und war bald ihrer Blicke entschwunden.
    „Was macht dieses kleine Kind?“ flüsterte Dankwart.
    „Es konnte nicht geboren werden. Vielleicht war es krank. Oder man wollte es nicht haben. Daher tauchte es wieder auf. Das geschieht oft. Doch es hat sich gleich wieder auf den Weg gemacht. Keine Seele geht verloren.“
    Beda sah wie gebannt auf den klaren Wasserspiegel. Wieder tauchte ein Kind auf.
    Beda trat einen Schritt in das Wasser und ergriff das Baby vorsichtig. Sanft legte er es in seinen Arm und griff in seinen Mantel. Er holte ein kleines, rundes Fläschchen heraus und träufelte dem kleinen Wesen einen einzigen Tropfen in den geöffneten Mund. Dann setzte er es wieder in den See, wo es sogleich in der Tiefe verschwand.
    Beda hielt Dankwart das Fläschchen hin.
    „Das Elixier aus der Wurzel des Lebens . Ich stellte es damals her und wurde reich und berühmt dadurch. Vielleicht würden diese Kinder auch ohne das wieder wohlbehalten und kräftig zum Leben zurückkehren. Vielleicht aber macht es sie auch besonders stark. Wie auch immer, dieses Tun verschaffte mir stets das Gefühl, etwas Gutes zu tun.“
    Er betrachtete das Fläschchen, die Lippen schürzend.
    „Fast leer. Ich müsste bald wieder Nachschub holen.“
    Er lächelte schwach mit dem gleichen scherzhaft blasierten Blick wie immer.
    „Albern, nicht? Daran kann man sehen, wie sehr wir dem Leben verbunden sind, das wir einst hatten. Dort war mein größter Wunsch, dass nie wieder ein Kind sterben muss.“

    Die Sonne war untergegangen, als sie das Schloss verließen. Der Himmel war jetzt von pastellenem Gelb, und die Wolken schimmerten bläulich. Die Nacht war bereits angebrochen.
    Dankwarts Blick ging unwillkürlich in Richtung der Kaserne. Wie wohl das Treffen von Harald und Elizabeth verlaufen sein mochte?
    „Hm?“
    Beda setzte einen fragenden Blick auf.
    „Ach, nichts“, sagte Dankwart.
    „Ich dachte nur gerade daran, dass ich wieder konzertieren möchte, so wie einst. Mein Urenkel hat mir bereits Noten besorgt, die ich bereits zu meiner großen Freude gespielt habe.“
    „Ich sehe, du hast deine Reisen zu nutzen verstanden“, sagte Beda. „Noten, Blumen, Bücher, ...“
    „Mit Büchern scheinst du dich ja auch gut auszukennen“, sagte Dankwart schalkhaft.
    Beda zog die Augenbrauen hoch und grinste ertappt.
    „Nun, ich kann halt auch nicht ganz aus meiner Haut ...“
    „Genausowenig wie ich. Wie ich gesehen habe, ist Musik nicht nur für mich eine Quelle von Leben. Ich habe sogar schon ein Duett gespielt, mit einem großartigen Cellisten. Leider ist er sehr scheu und zurückhaltend und traut sich nicht unter die Leute.
    Sicher gibt es viele Musiker in der Stadt, die in dieser Zeit ihre Profession wiederentdecken. Ich würde gerne ein Orchester gründen, ein Konzert organisieren. Ich hoffe, ihn dafür gewinnen zu können. Es gibt ein fantastisches Doppelkonzert von Johannes Brahms für Violine und Violoncello.“
    „Das wäre eine wirklich schöne Idee“, sagte Beda anerkennend.
    Im Geiste sah Dankwart schon das Konzertprogramm vor sich:

    Ein schöner Traum. Dankwart dachte jetzt an Berthold, der dies nie würde hören können. Doch es gab eines, das er noch tun wollte für ihn. Und ebenso für sich, wie er eingestehen musste.
    Er merkte, dass sich eine leise Angst in ihm bemerkbar machte.

Unsere Toten sind nicht abwesend,
sondern nur unsichtbar.
Sie schauen mit ihren Augen voller Licht
in unsere Augen voller Trauer.
    AUGUSTINUS

    B erthold war erschöpft nach all dieser Aufregung. Tatsächlich war er auch noch unruhig, ob ihm und Leni nun tatsächlich Gefahr drohte, aber da die Drohung von Heribert Frauendorff nun aktenkundig war und Robin nicht nur der Vergewaltigung und schweren Körperverletzung, sondern nun auch eines Mordes quasi überführt war, sagte ihm sein Verstand, dass nun niemand mehr nach ihren Leben trachten werde.
    Gleichwohl wirbelten die vielen Eindrücke in seinem Kopf noch durcheinander. Es war ihm kaum begreiflich, dass Robin Leni vergewaltigt und misshandelt hatte. Robin, der ihm so vertraut war, mit dem er schon zu Schule gegangen war. Einer der Menschen, den er schon am längsten kannte in seinem Leben. Und

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