Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die schlafende Stadt

Die schlafende Stadt

Titel: Die schlafende Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Steiner
Vom Netzwerk:
kommen, wenn wir von allem und jedem aus der Welt vergessen worden sind.“
    „Ich weiß. Davor fürchteten wir uns alle.“
    „Aber warum hast du dich denn gefürchtet? Du wusstest doch bereits, dass der Tod nicht das Ende des Lebens ist! Und jetzt erzählst du mir sogar, dass nach diesem Dasein hier wieder eines kommt, und dass dir dies bekannt war! Du hattest keinerlei Grund, Angst zu haben! Was hätte man dir anhaben können?“
    Beda war jetzt sehr ernst und sachlich, so, wie er auch bei den astronomischen Studien immer war.
    „Dies ist auch der Grund, warum ich mich vor dir schäme. Trotz meines Wissens habe ich an diesen dunklen Zeiten mitgewirkt. Ich hätte dir vielleicht viele Ängste schon viel früher nehmen können. Aber ich hatte tatsächlich Angst, trotz allem. Weniger um mich, aber um dich. Ich dachte, dass die Übermacht des Ordens, der nach und nach alles beherrschte, dich zerstören würde. Sie hätten dich renaturieren können, und du wärest deiner eigentlichen Identität ferner denn je gewesen.
    Ich habe die Herrschaft nicht in dem Maße kommen sehen, wie es nötig gewesen wäre. Ich hätte es auch gar nicht für möglich gehalten, dass es so etwas gibt, so massiv, so übermächtig, so unerbittlich. Ja, Tyrannen und Unterdrücker hat es schon früher gegeben, aber dies war das Zeitalter der Angst.
    Ich unterstützte das neue System aber auch nicht. Ich habe mich in erster Linie um mich gekümmert. Ich wanderte, wie schon zu Lebzeiten, in den Bergen umher, und merkte nicht, wie immer mehr Nebel uns alle umfing. Immer mehr Furcht. Denn die Angst vor dem Verschwinden, dem Vergessenwerden, die gab es schon immer, doch jetzt wurde sie manifest, gegenwärtiger. Daher begannen immer mehr Menschen, sich der Weisheit der Kaddharsiaden anzuvertrauen, aber so, wie es ihnen zunehmend vermittelt wurde. Denn die Priester im Tempel spendeten nicht Trost, wie es ihre Pflicht gewesen wäre, sondern sie schürten vielmehr die Angst. Und diese Angst gab denen die Macht, die sie für sich zu verwenden wussten.
    Grim, der jetzt wieder George heißt, Uriel und all die anderen suchten ihren Weg, indem sie sich dem widersetzen. Sie waren mutiger als ich. Vielleicht war es bei ihnen auch ein Erbe aus der Anderen Zeit, was sie dazu brachte. Ich dagegen versuchte immer, meinen eigenen Weg zu gehen. Und als ich merkte, was sich entwickelt hatte, konnte ich mich dem nur noch fügen. Nur noch heimlich durchlebte ich die Überbleibsel meiner Lebendigkeit. Und ich nahm damit die Dumpfheit des Todes, des wahren, unerbittlichen Todes in Kauf. Ich war kein guter Rebell, wahrhaftig nicht.“
    „Ich habe dich und andere gesehen“, sagte Dankwart. „Du sahst wahrhaftig so aus, als seiest du vom Leben weit entfernt.“
    „Du meinst, ich sah fürchterlich aus.“ Beda wirkte peinlich berührt.
    „So muss man es wohl ausdrücken. Allerdings wirkten die anderen die ich sah sehr viel zerfallener, vergangener als du.“
    „Welch ein Trost!“
    Beda beobachtete eine Hummel, die um seine Nase herumschwirrte und sich dann aber rasch davonmachte.
    „Ich muss aber auch sagen, dass ich nie aktiv am Wirken des Ordens von Jalán mitgewirkt habe, obwohl man mich ersuchte, dies zu tun“, sagte er.
    „Du hattest Kontakt zu Harlan?“
    „Zu Harlan? Nein. Es war lange vor Harlans Zeit. Es war die Ära von Olov, unter dem alles dunkler und drückender zu werden begann. Man erinnerte sich plötzlich meiner Herkunft und meiner Profession und wurde bei mir vorstellig, ob ich eine Essenz herstellen könnte.“
    „Eine Essenz? Ein Medikament?“
    „Ja. Nur dass es nicht zur Heilung bestimmt sein sollte. Jeder Bürger sollte die ‚Dosis‘ erhalten, ein Mittel, den Geist zu trüben, und um die Menschen folgsam und prosaisch zu machen. Allerdings pries man es, als sei es für jeden zum eigenen Besten, zum Wohle aller.“
    „Und du hast dies verweigert?“
    „Ja, auf meine Art. Ich stellte mich unwissend und dumm. Ich muss sehr überzeugend gewirkt haben, denn man ließ mich fortan in Ruhe. Aber natürlich fanden sie einen anderen Weg. Und so erhielt doch ein jeder nach und nach das, was man für nötig hielt. Die Neuankömmlinge sogleich, alle anderen bei verschiedenen Gelegenheiten. Hätte ich den Auftrag angenommen, so hätte ich die Macht gehabt, es zu steuern. Aber auch das wurde mir erst deutlich, als es zu spät war.“
    „Und wie verabreichte man den anderen ihre Dosis?“
    „Man drang über das Tunnelsystem in die Häuser ein und

Weitere Kostenlose Bücher