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Die Schmerzmacherin.

Die Schmerzmacherin.

Titel: Die Schmerzmacherin. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marlene Streeruwitz
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um Stockerau oder nach Wien hinein. Am Abend riefen sie dann die Tante Schottola an, und die kam mit dem Auto und holte sie. Hatte sie geholt. In zwei, drei Tagen könnten sie das schon machen, sagte der Mann. Woher er das wissen wolle. Er schaute sie kurz an. Er fuhr dann wieder. Die Trude habe Fehlgeburten gehabt. Ob sie das nicht wisse. Mehrere. Deshalb wisse er, wie das ginge. Er schwieg dann. Machte einen schmalen Mund.
    Sie saß da und schaute auf die Autobahn hinaus. Ließ die Straße auf sich zukommmen. Sie fühlte sich wieder sicher. Sie hatte das mit den Fehlgeburten von der Tante Schottola vergessen gehabt. Sie war der Ersatz für diese Kinder gewesen. Aber so eine verlassene Person wie sie. Die musste nehmen, was sie bekam. Und mit Onkel und Tante Schottola. Sie hatte es besser gehabt als mit der Betsimammi. Eine Giftlerin. Es hätte sicher nie Wanderungen gegeben, die nur in ihre Richtung geführt hatten. Bei denen sie die Richtung alleine bestimmt hatte. Sie saß im Fahren. Schläfrig. Es wäre schön gewesen, wenn diese Zwillinge gefunden worden wären. Sie konnte sich zu gut erinnern, wie das gewesen war. Allein. Und niemand da. Zu sagen, wohin. Die Mutter nur dagelegen und der Speichel aus ihrem Mund geronnen. Aber nach den statistischen Daten. Die lebten nicht mehr. Ziemlich sicher hatten diese beiden kleinen Mädchen es hinter sich. Waren in Sicherheit. Irgendwie.
    Sie wachte erst vor dem Haus wieder auf. Das Auto stand vor dem Haus in der Uhlandgasse. Sie solle sich hinlegen, sagte er, er müsse noch einkaufen. Es gäbe aber Kaffee im Thermos, und er zwinkerte ihr zu. Der Onkel Schottola war evangelisch H.B. und er sollte eigentlich keine Genussmittel zu sich nehmen. Kaffee war eine Sünde für ihn. Eigentlich. Aber sie waren sich in dieser Sünde einig. Die Tante Schottola trank Kakao. Diese Sünde teilten nur sie beide. Sie stieg aus und ging ins Haus. Der Onkel sperrte ihr die Tür auf und ging zum Auto zurück. Sie trat ins Haus. Es roch wie immer. Sie begann zu weinen.

März.
    Alles grau. Seit sie in der Uhlandgasse angekommen war. Es war nur der erste Tag so ein heller Wintertag gewesen. Blauer Himmel. Wolken. Die Sonne. Schneetreiben. Aprilwetter im Winter. Es hatte fröhlich gemacht, wie die Schneeflocken in der Sonne vom Himmel heruntertanzten. Dann wieder trüb. Schon am nächsten Tag. Der Himmel bedeckt. Nebelig. Feucht. Raureif am Morgen. Aber keine Sonne, dieses Glitzern auszulösen. Der Raureif taute weg. Der Boden nass. Am Abend dann Glatteiswarnungen in den Wetterberichten. Und keine Änderung in Sicht. Ein massives Hochdruckgebiet über Russland. Dort war minus 15 Grad die Höchsttemperatur. Ein Tief über dem Atlantik. Das schob die Wolken gegen Osten, und die Kälte hielt sie über Europa fest. Bis nach Afrika. Regen im Mittelmeer.
    Sie hatte einen Parkplatz am Anfang der Bahnhofstraße gefunden. Gleich nach der Ampel zur Hauptstraße. Sie konnte zum »Heiner« gehen. Die Mandeltüten für die Tante Trude besorgen. Solche Sachen äße sie noch gerne. Pariser Creme. Schokolade und Butter. Die Besorgungen ins Auto legen und eine Runde gehen. Auf dem Verkehrsschild stand »kostenpflichtige Kurzparkzone«. Sie beugte sich vor und schaute sich nach einem Automaten um. Sie sah keinen. War das wie in Wien. Man musste Scheine besorgen und ausgefüllt unter die Windschutzscheibe legen. Sichtbar. Die Scheine aber bekam man in der Tabak-Trafik und nur in den Geschäftszeiten. In so kleinen Orten wie Stockerau. Die stellten doch normalerweise Automaten auf. Sie öffnete das Handschuhfach, ob da irgendetwas herumlag. Formulare. Scheine. Eine Parkuhr. Nichts. Sie stieg aus und schaute sich um. Sie ging ein paar Schritte in Richtung Bahnhof. Kehrte wieder um. Ging zum Karl-Renner-Platz. Sie hätte auch da parken können. Aber der Range Rover war ihr zu groß für aufwendige Parkmanöver. Sie war dieses Auto nicht gewohnt. Sie hatte die letzten Tage nur Ausfahrten in die Hügel gemacht. War an die Donau gefahren. In die Wachau. Dahingefahren und geschaut. Die Donau. Das rechte Ufer hinauf. Bei Krems. Die Donaubrücke bei Melk und das linke Ufer hinunter. Die Donau immer rechts. Halbe Tage war sie nur mit diesem Auto gefahren und war dem Onkel Schottola dankbar gewesen. Dass er dieses riesige Auto fuhr. Dass er mit den Autos nie genügsam gewesen war. Das lag vor allem am Dr. Singer. Der Dr. Singer hatte als Steuerberater dem Onkel vorgeschrieben, ein ordentliches Auto für den Betrieb

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