Die Schmerzmacherin.
abzuschreiben, und das Auto war übriggeblieben. Nach dem Verkauf. Man saß hoch über der Straße in diesem Auto. Man segelte über die Landschaften hin. Es war auf eine erhebende Art befriedigend, so ruhig sitzend die Landschaft hinter sich liegen zu lassen. Erobernd. Es hatte etwas Eroberndes. Nur geparkt hatte sie kein einziges Mal. Irgendwo. Sie war vom Haus weggefahren und in die Garage zurück. Kein Aufenthalt. Keine Unterbrechung des Fahrens. Und wenn der Onkel ins Spital fuhr. Er hatte sie dahin nicht mitgenommen. Die Trude würde sowieso gleich nach Hause kommen. Sie sollte diese Umgebung nicht. Das würde ihr nicht guttun. Sie müsste erst wieder Ruhe finden. Sie habe mit sich selber genug zu tun. Und dann waren zwei Wochen vergangen. Die Tante Schottola wollte sie nicht dahaben. Wollte nicht, dass sie sie im Spital sehen sollte. Aber sie sollte heute nach Hause kommen. Deshalb sollte sie in einer Stunde zurück sein. In der Uhlandgasse. Mit dem Auto. Damit er sie holen fahren konnte. Nach dem Mittagessen in der Klinik. Die Schottolas verschwendeten keinen Cent. Wenn das Mittagessen in der Klinik von der Krankenkasse bezahlt wurde, dann musste das gegessen werden.
Sie ging durch den falschen Eingang in die Bäckerei-Konditorei. Sie ging bei der Bäckerei in das Geschäft. Sie war die einzige Kundin, und die Verkäuferin fragte sie schon beim Eintreten, was sie wolle. Sie schaute sich um. Brot und Gebäck. Nein. Sie bräuchte hier nichts. Sie müsse nach rechts. In die Konditorei. Die Frau hatte sich längst abgewandt und leerte Semmeln aus einem Riesenkorb hinter das Glas der Vitrine. Das Geräusch. Ein hohles Reiben und Rascheln. Sie schaute zu. Wie die Semmeln übereinanderpurzelten. Einen spitzen Berg bildeten und dann das Fach ausfüllend auseinanderrutschten. Die Verkäuferin schaute wieder auf. Fragend. Sie ging schnell nach rechts. Der Geruch der Semmeln. Des Brots.
In der Konditorei war sie wieder alleine. Sie schaute die Kuchen und Torten hinter dem Glas der Theke genau an. Würde die Tante Trude wirklich Mandeltüten wollen. Es gab Sachertorte. Haustorte. Trüffeltorte. Esterhazytorte. Dobostorte. Topfentorte. Nusstorte. Schwarzwälder Kirschtorte. Malakofftorte. Wiener-Mädl-Torte. Punschtorte. Schokoladencremetorte und Sacherpunschtorte waren auf einer Werbeschrift abgebildet. Diese Torten gäbe es nur auf Bestellung, stand neben den Bildern.
Was es sein dürfte. Die Verkäuferin war an die Theke gekommen. Oder eigentlich eine Kellnerin. Sie hielt ein Tablett mit einer Melange in der Hand und holte einen vorbereiteten Kuchenteller. Dobostorte. Sie solle sich ruhig Zeit lassen, sagte sie zur Kellnerin. Sie wolle dann 3 Mandeltüten. Wenn es nach ihr gegangen wäre, dann hätte sie 5 Mandeltüten gekauft. Sie war verschwendungssüchtig. Das war sie wirklich. Unbestreitbar war sie eine verschwendungssüchtige Person, die den Umgang mit Geld nicht gemeistert hatte. Die den Umgang mit den Dingen nicht gemeistert hatte. Aber gegen die Schottolas. Wie die ihr Leben führten. Dagegen waren alle anderen verschwendungssüchtig. Jeder. Sie hatte erst sehr spät begriffen, dass die Sparsamkeit der Schottolas. Dass das einfach die Umkehrung gewesen war. Und dass Zieheltern wie alle Eltern waren und wollten, dass die Kinder ihnen ähnlich wurden. Es war schrecklich gewesen. Diese Gespräche über ihre Verschwendungssucht. Und dass das Sucht sei. Dass sie besonders gefährdet wäre. Dass sie suchtgefährdet sei. Wegen ihrer Mutter. Und dass sie sich überwinden musste. Deswegen. Sie musste sich nur in den Griff bekommen und überwinden.
Die Kellnerin kam zurück. Sie bestellte die 3 Mandeltüten. Die Frau zog den Glasteller mit den Mandeltüten aus dem Regal. Ob noch etwas dazukäme. Sie sagte nein. Die Frau hob die 3 Mandeltüten auf einen viereckigen Pappendeckelteller. Legte ein Cellophanblatt auf die Stanitzel. Faltete das Papier darüber. Rollte ein Bändchen ab.
»Das kann ja nicht wahr sein.« Sie wurde von der Seite umarmt. Der Mann umfing sie von der Seite und küsste sie auf die Wange. Er hielt sie fest. Drückte sie an sich. Hob sie kurz vom Boden auf. Er rief der Frau hinter der Theke zu, dass sie diese Mehlspeisen auf seine Rechnung setzen sollte. »Mali Schreiber. Wie kommst du hierher. Ich fass es nicht. Du bist es wirklich. Wir waren in der Schule. Zusammen.« Er erklärte das der Kellnerin und lachte. Die Frau lächelte ihm zu und schüttelte den Kopf. Nachsichtig. Er drehte sie herum
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