Die Schmerzmacherin.
und schob sie in das Café.
»Mali. Mali. Mali.« Er sagte das laut. Verwundert. Alle schauten zu ihnen hin. Er deutete auf einen Tisch am Fenster. Sie könne jetzt nicht einfach davon. Sie wollte ablehnen, aber er griff nach ihrem Mantel. Habe sie den nicht schon in der Schule gehabt. Er könne sich an so einen Mantel erinnern. Sie musste lachen. Nein. Das wäre schon ein anderes Modell. Aber es sei richtig. Sie trüge Dufflecoats. Das müsse eine frühe Fixierung auf Paddington Bear sein, sagte er. Das brächte ihre englische Seite zum Ausdruck. Dass er sich daran erinnern könne, sagte sie. Verwundert. Er nahm ihr den Mantel ab, und sie setzte sich. Von ihrem Platz aus konnte sie auf die Straße hinausschauen. Die Stiege zur Stadtpfarrkirche hinauf. Die Buchhandlung an der Ecke gegenüber. Der Platz verparkt. Was sie bestellen wolle, fragte er. Die Kellnerin war an den Tisch gekommen und hatte das Päckchen mit den Mandeltüten gebracht. Sie schaute ihn fragend an. Er würde meinen, dass diese schöne Frau mittlerweile nur noch Espresso trinken würde. Oder lieber etwas Schaumiges. Einen Latte. »Nein.« sagte sie und schaute die Kellnerin an. Sie wolle eine Melange. Die Kellnerin sagte: »Ja. Gerne.« und ging. Er sei hier wohl der Hahn im Korb, meinte sie. Wie sie denn darauf käme. Sie musste lachen. Die Kellnerin habe nur ihn angesehen, während sie bestellt habe. Während sie diese Frau angesprochen hatte. Er lachte verschämt. Das müsse sie verstehen, er sei hier eben Stammgast. Immer wenn er hier bei Gericht zu tun habe, dann käme er hierher. Frühstücken. Und er käme oft hierher, weil er diese Bezirksgerichtssachen erledigen müsse. Als Jüngster in der Kanzlei. Er müsse noch diese Blut-und-Boden-, Butter-und-Brot-Fälle erledigen. Was das sein könnte. Sie schaute ihn an. Er sah gut aus. Dominik Ebner hatte immer gut ausgesehen. Frisch. Sportlich. Groß. Immer gut aufgelegt und sicher. Dominik Ebner hatte nie Zweifel gehabt. An nichts. Er hatte immer gewusst, was richtig war, und sie musste zugeben, dass es auch gestimmt hatte. Sie hatte ihn gehasst. Damals. Sie hatte ihn ziemlich gehasst. Seine Freude über das Wiedersehen. Über dieses zufällige Treffen. Sie konnte es nicht verstehen. Sie hatten nichts gemeinsam gehabt. Nichts. Im Gegenteil.
Er sei also mit dem Studium fertig, stellte sie fest. Und er sei also in die Kanzlei seines Vaters eingetreten. »Meiner Familie.« korrigierte er. Es sei ja seine ganze Familie in dieser Kanzlei. Sein Vater und seine Mutter und er. Sein Onkel und dessen Familie. Ein paar Cousins und Cousinen. Der Großvater und der Großonkel hätten die Sache aber immer noch fest im Griff. Er lächelte. Er wäre da ein kleiner Lehrling. Wie jeder andere Konzipient eben. Was das für Fälle wären, die da anfielen, fragte sie. Die Kellnerin brachte den Kaffee. Ob sie nicht etwas anderes noch haben wolle. Ein Frühstück. Es gäbe hier ein hervorragendes Frühstück. Die Kellnerin schaute sie abschätzig an. Die Kellnerin wusste gleich, dass sie nichts bestellen würde. Sie drehte sich schon weg, bevor sie noch etwas gesagt hatte. Aber sie wollte wirklich nichts. Dominik lächelte die Kellnerin an und hob bedauernd die Schultern. »Scheidungen. Nachbarschaftsstreitereien. Grundstücksangelegenheiten. Erbschaften. Vertragsprobleme.« Er leierte die Aufzählung vor sich hin. Das wären alles Fälle, in denen man die Betroffenen treffen müsste und mit Tränen rechnen. Deshalb würden diese Fälle den Jüngsten in den Kanzleien übertragen. Damit sie hartherzig wurden. Werden mussten. Weil das Elend ja wirklich groß wäre. Und wirklich wirklich. Er schaute sie an. Er war amüsiert. Sie rührte Zucker in die Melange. Das klinge alles so erwachsen. Er sei sicher verheiratet und habe Kinder. Er grinste sie an. Nein. Er sei nicht verheiratet, und er habe eben erst eine eigene Wohnung bezogen. Ein Zimmer. Eigentlich ein Zimmer. Aber er fand es nun mit 25 doch besser, sich von der Familie abzusetzen. Was sie denn mache. Gemacht habe. Machen werde. Sei sie denn verheiratet oder so etwas Ähnliches. Wo lebe sie denn überhaupt. Ihre Pflegeeltern. Ihr Pflegevater. Der hätte ja wirklich Glück gehabt. Dass der den Betrieb noch vor der Krise losgeworden war. Dass der verkauft habe. Damals. Das wäre ja absolut genial gewesen. Denen wäre zu gratulieren gewesen.
Sie lehnte sich zurück. Sie durfte jetzt nichts sagen. Sie wusste ja auch nichts. Aber das Geld war weg. Offenkundig. Wenn
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