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Die Schmerzmacherin.

Die Schmerzmacherin.

Titel: Die Schmerzmacherin. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marlene Streeruwitz
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mehr. Die hatten sie abgeschaltet. Vergessen. Eine Welle Hass. Sie hasste diesen Mann. Sie stellte sich wieder an seine Seite. Sie trat gegen die Beine der Liege. Der war schuld an allem. Sie riss an den Gurten. Sie trat gegen die Liege. Sie schlug gegen die Wände. Sie hätte diesem Mann weh tun wollen. Sie konnte fühlen, wie sie auf ihn einstach. Sie fühlte, wie die Stiche durch seine Haut. In den Körper. Wie sie immer wieder. Der nächste Stich vom Solarplexus her befohlen. Ein Drang zuzustechen. Zuzuschlagen. Reißen. Immer noch etwas hinzufügen. Geräte dafür. Messer. Nadeln. Am liebsten Nadeln. Nein. Doch Messer. Stanley-Messer. Jeder Stich den nächsten auslösend. Schnitte. Sie fand sich das sagen. Sie zischte diesem Mann zu, wie sie ihn zerfleischen wollte. Zerschneiden. Wie sie ihm die Augen. Den Mund. Wie sie ihm das Gesicht. Zerstören. In die Ohren. Das besonders. In die Ohren. Die hier nichts hörten. In dieser Stille. Was für ein Vergnügen, genau in so einer Stille das Gehör zu zerstören. Sie fand sich wieder ruhig. Sie stand an die Tür gelehnt und sprach vor sich hin. Sinnierend. Wie richtig es wäre, in der Stille so eine ewige Stille, und wenn sie schon so allein gelassen waren. Sollten sie dann nicht etwas Sinnvolles daraus machen.
    Sie fiel nach hinten. Die Tür wurde aufgemacht. Sie fiel nach draußen. Sie schaute sich nicht um. Sie stolperte weg. Der Techniker nahm ihr das Mikrophon ab. Sie schaute ihn nicht an. Er sagte nichts. Sie ging hinaus. Die Schatten lang. Niemand. Sie ging an der Halle vorbei. Sie hörte ein Auto. Der Kleintransporter.
    Der Wagen blieb neben ihr stehen. Sie stieg ein. Vorne. Auf dem Beifahrersitz. Sie schaute nach vorne hinaus. Der Mann, der fuhr. Er sagte kein Wort. Die Tore. Wieder das Warten. Hinausstarren. Dann die langsam aufgehenden Tore. Alle Tore gleich. Mattgraue Metallplatten. Die Tore wurden seitlich weggeschoben. Die Tore rollten auseinander. Der Fahrer fuhr los, sobald genug Platz war. Er wartete nicht, bis die Tore ganz offen waren. Sie konnte beim Vorbeifahren noch sehen, wie die Tore immer noch weiter auseinanderrollten, während sie schon durch waren. Sie fuhren in Richtung Hauptgebäude. Vor dem Hauptgebäude bog der Fahrer nach rechts ab und hielt vor dem Eingang zum Speisesaal. Sie stieg aus. Sie hielt die Sicherheitskarte an den scanner. Ging in das Gebäude. Sie ging zur Speisenausgabe. Tablett. Sie nahm eine Kanne Tee. Milch. Zucker. Ein cucumber sandwich. Einen Früchtekuchen. Tasse. Löffel. Kuchengabel. Serviette. Zur tea time gab es kein Personal an der Kasse. Es gab keine Getränke, die selbst bezahlt werden mussten. Sie nahm das Tablett und ging zu Tisch 43.
    Ned und Bennie saßen da und kauten an ihren sandwiches. Hazel schaute auf und deutete auf ihren Sessel. Sie habe ihre Tasche vergessen. Sie stellte ihr Tablett hin. Sie nahm ihre Tasche und hängte sie an die Sessellehne. Setzte sich. Sie goss Milch in die Tasse. Warf den Zucker in die Milch. Dann goss sie den Tee darüber. So machte man das hier. Der Tee war heiß, aber sie war sehr durstig.

Juli.
    Müdigkeit ist auch nur eine Welle.
    Sie sagte das laut vor sich hin. Sie lief.
    »Müü-di-i-igk-eit-iis-sss-t-aauu-chch-nnnu-rrr-eeii-nnn-eee-www-ellll-eee.«
    Sie lief und sagte sich diesen Satz vor. Es war heiß. Heiß und dunstig. Sie sah vor sich auf die Tartanbahn. Sie war allein draußen. Sie konnte nur sich hören. Keuchen. Diesen Satz vor sich hin summen. Die fünfte Runde. Wenn sie Meilen in Meter umwandeln hätte können, hätte sie gewusst, wie viel sie gelaufen war. Sie dachte in Runden. 11 Runden. Da war noch genug Zeit zum Duschen, und sie war zufrieden. Aber das Wichtigste war, nicht drinnen zu sein. Nicht im Haus. Sie schaute hinauf. Die Wolken dicht. Die Flugzeuge aber zu sehen. Immer Flugzeuge am Himmel. Hier.
    »Müü-di-ig-keeiit-iis-tt-aauu-chchch-nnn-uuu-rr-eeii-nnn-eee-www-eellee.«
    Das Laufen übernahm. Sie ließ sich laufen. Es dauerte ohnehin immer länger, bis diese Selbstverständlichkeit eintrat und jeder Schritt sich selber machte und sie sich nicht um sich kümmern musste. Sie hatte den Himmel über sich. Das Laufen rund um sich. Die Unruhe und die Leere. Die Angst wegen der Tante Trude. Die Familie. Jeder wollte da für sie bestimmen. Gino hatte gemailt. Die zerschmetterten Knie. Er war schon wieder operiert worden. Sie konnte nicht mehr surfen. Hatte Probleme. Mit der Vorstellung davon. War nicht locker. Nicht entspannt. Sie war kaum draußen

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