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Die Schnapsstadt

Die Schnapsstadt

Titel: Die Schnapsstadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Yan
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Lastwagenfahrerin schlug mit der flachen Hand auf die Hupe, aber die gab nur ein schwächliches Blöken von sich. Der Fahrer des Schwertransporters Marke Gelber Fluss vor ihnen sprang aus dem Fahrerhaus, trat an den Straßenrand und warf ihr einen wütenden Blick zu. Ding Gou'er konnte spüren, wie die Wut in den Augen des Mannes durch die Spiegelglasbrille hindurch brannte. Die Lastwagenfahrerin riss ihm die Flasche aus der Hand, roch am Flaschenhals, als wolle sie die Qualität des Inhalts überprüfen, und ließ den Schnaps bis zum letzten Tropfen durch die Gurgel rinnen. Ding Gou'er wollte ihr ein Kompliment über ihre Trinkfestigkeit machen, aber dann überlegte er es sich anders. Einer Frau, die aus einer Stadt namens Jiuguo, «Schnapsstadt», stammte, etwas über ihre Trinkfestigkeit zu erzählen, klang ein bisschen blöde. Also schluckte er die Worte hinunter. Er wischte sich den Mund ab, starrte gebannt auf ihre kräftigen feuchten Lippen und sagte ohne jede Rücksicht auf Anstand und Sitte:
    «Ich will dich küssen.»
    Das Gesicht der Lastwagenfahrerin wurde dunkelrot. Mit schriller, blecherner Stimme brüllte sie ihn an:
    «Du kannst mich, verdammt nochmal, küssen!»
    Die unverblümte Antwort verschlug dem Ermittler die Sprache. Der Fahrer des Schwertransporters war wieder in seinen Gelben Fluss eingestiegen. Eine lange gewundene Reihe von Fahrzeugen streckte sich vor ihnen hin. Ein bunt geschmückter Lastwagen und ein Eselskarren hatten sich hinter sie eingeordnet. Die breite Stirn des Esels war mit einer roten Quaste geschmückt. Niedrige verwachsene Bäume, von Unkraut überwucherte Gräben und gelegentlich ein paar wilde Blumen säumten den Weg. Schwarze Staubflecken verunstalteten die Blätter und Kräuter. Jenseits der Straßengräben lagen herbstlich dürre Felder. Die verdorrten gelben und grauen Stoppeln wiegten sich im Wind. Sie wirkten weder fröhlich noch betrübt. Es war später Vormittag. Ein Berg von Abraum ragte vor ihnen in den Himmel und spuckte Wolken von gelbem Rauch aus. Eine Förderhaspel am Eingang zur Zeche drehte sich langsam. Sie war nur halb zu sehen. Der Gelbe Fluss versperrte den Blick auf die untere Hälfte. Die Lastwagenfahrerin schrie Ding Gou'er immer wieder den gleichen Satz zu, den Satz, der ihn so erschreckt hatte, aber sie rührte sich nicht von ihrem Platz. Also griff Ding Gou'er über den Sitz und berührte ihre Brust mit der Fingerspitze. Ohne jede Vorwarnung warf sie sich über ihn, umschloss sein Kinn mit einer eiskalten Handfläche und presste ihren Mund auf den seinen. Ihre Lippen fühlten sich kalt und klebrig an, nicht so elastisch wie erwartet, irgendwie seltsam, wie Wattebäusche. Das war enttäuschend. Seine Begierde starb plötzlich. Er stieß sie von sich, aber sie sprang ihn unverzagt wie ein Kampfhahn erneut kräftig an. Sie erwischte ihn in einem unbewachten Moment, und er konnte sich nicht wehren. Er war gezwungen, sie zu behandeln, wie er einen Verbrecher behandelt hätte. Er musste versuchen, sie zur Vernunft zu bringen.
    Sie saßen im Fahrerhaus und schnappten beide nach Luft. Der Ermittler presste die Arme der Frau gegen die Sitzlehne, um jeden Widerstand von ihrer Seite zu verhindern. Sie versuchte immer wieder, sich an ihn zu drängen. Ihr Körper wand sich wie eine Spiralfeder. Ihr Rücken spannte sich wie eine Blattfeder. Vor Anstrengung grunzte sie wie ein Ochse, wenn man ihn an den Hörnern packt. Sie sah so niedlich aus, dass Ding Gou'er sich das Lachen nicht verkneifen konnte.
    «Worüber lachst du?», fragte sie.
    Ding Gou'er ließ ihre Hände los und zog eine Visitenkarte aus der Tasche.
    «Ich muss mich auf den Weg machen, junge Dame. Wenn du Sehnsucht nach mir hast, kannst du mich dort finden. Aber nichts verraten!»
    Die Frau sah ihn mit prüfendem Blick an, studierte erst seine Karte und dann sein Gesicht mit der angespannten Aufmerksamkeit eines Grenzpolizisten, der den Pass eines Touristen kontrolliert.
    Ding Gou'er schnippte mit den Fingern gegen die Nase der Lastwagenfahrerin. Dann klemmte er seine Aktentasche unter den Arm und öffnete die Beifahrertür. «Bis demnächst, Mädchen», sagte er, «und vergiss nicht, dass ich den richtigen Dünger für alkalischen Boden habe.» Er war schon halb aus der Tür, als sie ihn am Ärmel festhielt.
    Der schüchterne und zugleich neugierige Blick in ihren Augen überzeugte ihn jetzt davon, dass sie wahrscheinlich noch recht jung, unverheiratet und unverdorben war. Sie war liebenswert und

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