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Die schöne Ärztin

Die schöne Ärztin

Titel: Die schöne Ärztin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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über die Buschener Heide und suchte, bis er auf ein Loch im Gras stieß, das aussah, als habe ein Riese eine Stange in die Erde gestoßen und wieder herausgezogen. Er kniete am Rand des Lochs nieder und sah hinunter, sah aber nichts. Wie eine Katze vor einem Mauseloch, lautlos, mit angehaltenem Atem, lauschte er. Er hörte in der dunklen Röhre das Keuchen des Jungen, das Abbröckeln von Erdklumpen, das Kratzen der Füße und Hände, mit denen sich Oliver gegen die Wand stemmte.
    Immer wieder kam dessen Stimme von unten: »Mami!«
    Cabanazzi antwortete nicht. Die Rufe wurden schwächer.
    »Mami!«
    Cabanazzi blieb stumm. Er überließ es dem Schicksal, die Entscheidung zu fällen. Achselzuckend erhob er sich schließlich und verschwand in der Dämmerung. Er durfte nicht gesehen werden. Nachdem er sein Rad erreicht hatte, fuhr er rasch davon, ungerührt, ein Mann, der nur sich selbst kannte.
    Aus der Konferenz mit den EWG-Partnern wurde Direktor Dr. Sassen von seiner Sekretärin mit heftigen Handzeichen herausgewunken.
    »Was soll das denn?« fragte er ungnädig, als er vor der Tür des Sitzungssaales stand. »Sie wissen doch, daß ich unter gar keinen Umständen gestört werden will.«
    »Ein – ein Unglücksfall, Herr Direktor!« stammelte die Sekretärin. Sie war kreidebleich. Der Anruf, den sie eben bekommen hatte, hatte sie völlig durchgeschüttelt.
    »Wieder auf Schacht V?« Auch Dr. Sassen verlor die Farbe. »Schlagwetter?«
    »Nein – Ihr – Ihr Sohn, Herr Direktor –«
    »Fritz? Der ist doch nebenan im Saal!«
    »Oliver –«
    »Was?« Dr. Sassen schrie es. »Oliver? Was ist mit ihm? So reden Sie doch!«
    »In der Buschener Heide – in ein altes Bohrloch – sie arbeiten schon – fünfzehn Meter tief soll er –«
    Dr. Sassen hörte nicht weiter zu. Er rannte zum Fahrstuhl, fuhr hinunter, warf sich in seinen Wagen, nachdem gerade kein Chauffeur zu sehen war, und raste selbst mit aufgeblendeten Scheinwerfern und anhaltend hupend durch das Zechengelände hinaus in die Nacht zum Unglücksort. Von weitem sah er schon auf der kahlen Heidefläche eine Gruppe Männer arbeiten, im Schein von Handscheinwerfern und dem Licht der Lampen eines Grubenrettungswagens.
    Mit kreischenden Bremsen stoppte der schwere Wagen, nachdem er mit krachenden Federn über den holprigen Boden gehüpft war. Dr. Sassen sprang heraus und rannte auf die Gruppe Männer zu. Er sah Veronika auf einer Materialkiste sitzen und weinen, er erkannte Dr. Waltraud Born und über dem Loch, an einem hölzernen Dreibein mit einer kleinen Seilscheibe, Kurt Holtmann.
    »Louis!« schrie Veronika auf, als sie ihren Mann sah. Sie schnellte hoch, lief ihm entgegen und fiel in seine Arme. »Sie haben ihn gleich! Sie haben ihn gefunden!«
    »Lebt – lebt er?« war seine erste Frage. Er sah über den Kopf Veronikas auf Waltraud Born. Sie hob die Schultern und schwieg.
    An einem gespreizten Drahtseil wurde jetzt ein einfaches Brett befestigt, Kurt Holtmann setzte sich darauf und gab ein Handzeichen. Langsam begann sich die Seilscheibe zu drehen. Von einer Winde aus, an deren Handkurbel zwei Männer standen, wurde die Abfahrt geregelt.
    »Langsam, Vater, ganz langsam!« rief Kurt Holtmann.
    Hans Holtmann winkte zurück. Dr. Sassen sah hinüber zu dem stämmigen, graumelierten Hauer, der mit äußerster Kraftanstrengung die Kurbel langsam drehte und seinen Sohn auf dem Brett in die Tiefe ließ. Würde ihm die Kurbel entgleiten, würde Kurt Holtmann wie ein Stein in die Tiefe fallen, auf Oliver prallen und ihn mit hinunterreißen in eine noch unbekannte Tiefe. Hinab in die Ewigkeit?
    Dr. Sassen löste sich aus der Umklammerung Veronikas und rannte zur Winde. Ohne ein Wort griff er mit zu und stemmte sich mit Hans Holtmann gegen den Zug, der von Meter zu Meter stärker wurde, je tiefer Kurt Holtmann in die Tiefe sank. Er spürte, wie die Kurbel sie beide mitzureißen drohte, wie ihre zitternden Arme kaum noch das Drahtseil gleichmäßig und langsam herablassen konnten. Keuchend stemmten sie sich gegen den Druck, mit dem der abwärtsgleitende Körper die Kurbel belastete. Ihre Füße rissen den Boden auf, wollten ausgleiten, suchten neuen Halt.
    »Langsam! Langsam!« schrie einer vom Loch her. Aus der Tiefe war ein Ruf Kurts gekommen. Kurt sah Oliver unter sich im Licht der Taschenlampe. In zwanzig Meter Tiefe hatte sich die einbrechende Erde gestaut. Auf ihr lag Oliver wie in einem Nest, zusammengekrümmt, leblos, mit Grasbüscheln bedeckt.
    »Noch fünf

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