Die Schöne und der Leopard (German Edition)
nicht. Norma Blake und Doc Filmore reden mir von psychischen Problemen. Lomungé spricht so, als ob der Leopardengott ein reales und existentes Wesen wäre. Was ist denn nun richtig?«
»Vielleicht beides, zumindest zum Teil«, sagte der Regisseur. »Jeder Kulturkreis hat seine eigene Prägung und Wissenschaft. Der Medizinmann sucht und findet die Erklärung auf seinem Gebiet, die US-Psychiatrie auf dem ihren.«
Der Regisseur verhandelte weiter mit Lomungé. Er bot dem Widerstrebenden Geld und Vorteile für sein Dorf an, wenn er ihm seinen Wunsch erfüllte. Sue-Ann grübelte. Ed Andersons Erklärung von den Kulturkreisen leuchtete ihr ein.
Doch sie war in den USA geboren und erzogen worden. Leopardenmänner und -götter waren ihr so fern wie der Mond gewesen, ehe sie an die Elfenbeinküste gelangte und die schrecklichen Träume hatte. Weshalb träumte sie gerade von dem Leopardengott oder wurde von ihm verfolgt? Sollte Lomungés Erklärung zutreffender sein als die Doc Filmores und Norma Blakes?
Auch das Trittsiegel des Leoparden im Eingang von ihrem Zelt gab der Schauspielerin zu denken. Hatte jemand die Spur erzeugt, vielleicht mit einer abgeschnittenen, getrockneten Leopardenpranke, als ein Symbol?
Sue-Ann wusste es nicht. Endlich war das Palaver zwischen Ed Anderson und dem Medizinmann beendet.
»Lomungé wird dich behandeln«, sagte der Regisseur zu Sue-Ann. »Jetzt gleich.«
»Wie soll das geschehen?«
»Es ist nicht schlimm, tut nicht weh und dauert auch nicht lange. Es kann hier in der Hütte stattfinden.«
Sue-Ann wollte alles tun, um die schrecklichen Alpträume loszuwerden.
Doch sie sagte: »Bitte bleib du dabei, Ed. Ich bleibe nicht allein mit Lomungé in der Hütte. Er ist mir unheimlich.«
»Selbstverständlich. Lomungé wird dich hypnotisieren und eine Zeremonie aufführen. Wir sind hier in Afrika, was dich heimsucht, wie auch immer, ist der Leopardengott der Sudanstämme. Warum also nicht eine hiesige Zeremonie anwenden? Ein Psychiater in L. A. würde den Fall auf andere Weise angehen, aber erstens haben wir hier keinen zur Verfügung, zweitens kennt Lomungé die Materie auf seine Weise.«
Der Regisseur hatte wieder mal eine unkonventionelle Idee. Sue-Ann machte den Oberkörper frei. Lomungé bemalte sie mit roter und grüner Flüssigkeit. Bevor er die Juju-Beschwörung begann, erzählte er zunächst von dem Leopardenmann, seinen Kindern und seinem Wirken.
»Vor Zeiten, noch ehe der erste Mensch ward, bevölkerten Echsenwesen, Schlangen- und Leopardenmenschen die Erde«, erzählte der Medizinmann, den Ed Anderson übersetzte. Die Echsen von Lemuria, die Schlangen von Mu und die Leopardenmenschen, die sich jeweils bei Vollmond in wilde Leoparden verwandelten, hatten große Reiche. Die Leopardenmenschen von N'Chiba aber erhoben sich, und sie unterjochten die anderen. Tombé, ihr König, ein Wesen, das aus den Abgründen jenseits der Sterne stammte, herrschte mit einem starken Zauber. Er vermochte sogar, der Natur zu gebieten. So beeinflusste er die Gezeiten, und er lenkte den Regen und die Fruchtbarkeit der Ernten, so dass sein Volk niemals Not litt. Doch er forderte einen hohen Preis: Opfer von denkenden, fühlenden Wesen. Das grüne und gelbe Blut der Unterjochten strömte Tag und Nacht von den Opferaltären in Tombés monolithischer Hauptstadt am Golf. Bei Vollmond mordeten die zu Leoparden gewordenen Angehörigen von Tombés Volk und lebten wüst ihren Blutdurst aus. Dann rasten in Städten und Orten von Lemuria, Mu, N'Chiba auch sowie anderer Welten, die auf Lichtstrahlen reitend und durch Geistmaterialisation erreicht wurden, die Werleoparden durch die Straßen. – Und Tombé lachte in seinem Palast. Die Lemurer und jene von Mu verschworen sich. In einer finsteren Nacht zerbrach die lemurische Echsenkönigin Dracola den großen Kristall, der den Mittelpunkt von Tombés Magie und Reich darstellte. Damit geriet alles aus den Fugen. Auf diesen Kristall gebaut, funktionierte das Systems der Gezeitenbestimmung und der Niederschläge, gediehen die Ernten und fand vieles andere statt. – Es war eine Neumondnacht, die Leopardenmenschen in ihrem schwächsten Stadium. Echsen- und Schlangenwesen fielen über sie her. Die Kerker unter Tombés Palast wurden erbrochen, die zu Opfer für den Leopardengott auserkorenen Gefangenen rasten hervor. Mord und Brand wüteten in der Metropole und überall.«
Lomungé schöpfte Atem. Dann setzte er seine phantastische Geschichte fort, der Sue-Ann und der
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