Die Schöne und der Leopard (German Edition)
mehr. Ich bin bei dir. Niemand tut dir etwas. Du hast nur schlecht geträumt.«
Sue-Ann zitterte. Endlich schlug sie die Augen auf. Ihr verschleierter Blick klärte sich.
»Wo ist er?«, fragte sie.
»Wer?«, fragte Anderson.
»Der Leopardenmann. Er hat... Ich kann es nicht sagen.«
»Es war wieder der Traum«, sagte der Regisseur. »Dieser scheußliche, hässliche Alptraum. Warum hast du die Nacht nicht mit mir verbracht?«
»Das hätte auch nichts geändert. In deiner Gegenwart hätte ich genauso geträumt, vielleicht noch schlimmer – wenn es überhaupt noch eine Steigerung gibt. Ich weiß nicht, was mit mir los ist. Seine Augen... Seine Pranken... Er war da.«
Sue-Ann schlug die Decke zurück und schaute auf ihren Körper. Fassungslos schüttelte sie den Kopf. Sie hatte den Druck von dem Körper des Leopardenmanns deutlich gespürt, seinen strengen Geruch wahrgenommen und die Schmerzen gespürt, die er ihr mit seinen Krallen zufügte. Aber da war keine Spur.
Sie schaute sich um. Das Moskitonetz lag heruntergerissen und zusammengeknüllt am Boden. Aber das konnte sie auch selbst getan haben. Kein Trommelschlag war zu hören.
Vorm Zelt redeten Angehörige des Filmteams aufgeregt durcheinander. Tom Rawlins, der Hauptdarsteller, die schwarzhaarige Norma Blake, weiblicher B-Star des Films und der Produktionsleiter und Teamchef Bill Dallas betraten das Zelt.
Rasch deckte Anderson seine Geliebte zu, die sich immer noch an ihn klammerte.
»Sue-Ann hatte einen Alptraum«, sagte er trocken und unterschlug dabei vorerst die Leopardenspur am Zelteingang.
Sie war ohnehin kaum noch zu sehen. Rawlins, ein dunkelhaariger, hochgewachsener Mann mit der Barttracht, die seine Rolle erforderte, hatte daraufgetreten und sie verwischt.
»Sie steht unter Schockwirkung«, fuhr Anderson fort. Er streichelte Sue-Ann beruhigend. »Ich bleibe bei ihr und kümmere mich um sie.«
»Sie braucht eine Beruhigungsspritze«, sagte Norma Blake, die rasch in Shorts und eine dünne Bluse geschlüpft war.
Der dünne Stoff verhüllte ihre Brüste kaum. Norma Blake, auch The Body – der Körper – genannt, spielte in dem Film eine femme fatale und Sue-Ann Baileys Gegenspielerin.
»Dann kann sie morgen nicht drehen«, erwiderte Anderson. »Ich glaube, die Spritze ist nicht unbedingt notwendig. Wo bleibt denn der Doc?«
Doc Filmore, ein kleiner Mann im Tropenanzug, drängte sich mit seinem Arztköfferchen herein. Er schwitzte heftig. Seine Nase glänzte fast so rot wie die von dem großen und massigen Produktionsleiter Dallas.
»Bin schon da«, sagte er, mürrisch, dass er wieder aus dem Schlaf gerissen worden, den er nach zehn doppelten Whisky Soda am Abend dringend brauchte. »Waren es wieder die Alpträume, Miss Bailey?«
Sue-Ann nickte.
»Ja«, flüsterte sie. »Es war grauenvoll. Der Leopardenmann fiel über mich her und vergewaltigte mich. Mit seinen Pranken hat er mich zudem bearbeitet. Ich spüre die Schmerzen noch.«
»Das ist ein typischer Fall von einer sexuellen Phobie«, sagte Norma Blake, die gern mit ihrer Belesenheit prahlte. »Du solltest dich in psychiatrische Behandlung begeben, Sue-Ann, oder du wirst verrückt.«
»Blödsinn.« So geschockt sie auch war, das ließ Sue-Ann, 24 Jahre alt und eine Hollywood-Göttin, sich nicht sagen. »Jetzt habe ich genug von deiner albernen These, mit der du mich schon dazu gebracht hast, die Nacht allein zu verbringen, Norma. Das hat aber auch nichts geholfen, sondern geschadet. Dieser Traum – wenn es einer gewesen ist – die Vision, das Erlebnis war schlimmer denn je.« Sie presste die Hände gegen die Schläfen. »Mein armer Kopf. Ich fürchte, er zerspringt noch am Ende. Ich habe das Gefühl, dass eine fremde, unheimliche Macht auf mich einwirkt und mich bedroht. – Ihr habt doch die Trommeln gehört? Sie lösen bei mir diese Träume aus.«
»Welche Trommeln denn, Darling?«, fragte Anderson.
Auch die vier anderen im Zelt Anwesenden schauten verständnislos.
»Wollt ihr damit sagen, dass überhaupt nicht getrommelt wurde?«, erkundigte sich die Blondine.
»Heute Nacht jedenfalls nicht«, erwiderte Bill Dallas. »Das würde ich mir als eine Ruhestörung auch schwer verbitten, wo wir in aller Herrgottsfrühe anfangen müssen zu drehen. Die Zeit ist knapp genug bemessen, denn mittags ist es so heiß, dass sich kein Mensch regen kann. – Du hast diese Trommeln schon öfter gehört?«
»Ja.« Sue-Ann senkte den Kopf. Ihre blonden Haare fielen nach vorn und verdeckten ihr
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