Die Schöne und der Leopard (German Edition)
Handwerkern ihre Anweisungen zu geben. Anderson würde sie noch spezifizieren.
Der Regisseur hatte inzwischen Sue-Ann Bailey aufgesucht. Er fand sie in ihrem Zelt bäuchlings auf dem Bett liegend, das Drehbuch mit ihrem Text vor sich. Aber die Schauspielerin lernte keinen Text.
Sie grübelte. Die Nacht war näher gerückt. Sue-Ann bebte jetzt schon. Sie zermarterte sich den Kopf wegen Norma Blakes und Doc Filmores Erklärungen mit der Sexualneurose. War sie als Kind etwa missbraucht worden, und tauchte das verdrängte Erlebnis jetzt wieder aus den Tiefen ihrer Seele auf, die Effekte erzeugend, die so furchtbar waren? Sue-Ann hatte Sexualität nie als etwas Bedrohliches empfunden und nie geglaubt, dass gerade sie das Opfer einer Neurose werden würde.
Doch wer kannte sich schon selbst völlig? Oder hatte sie eine Abnormität in ihrem Triebleben, die bei den Dreharbeiten in Afrika solch monströse Auswirkungen erzeugte und immer bedrohlichere, selbstzerstörerische Formen annahm?
Als Anderson ihr vorschlug, zum Medizinmann zu gehen, war die Schauspielerin sofort einverstanden. Ihr lag viel daran, die Dreharbeiten von »Ivory Coast« erfolgreich zu beenden. Zudem fürchtete sie um ihre geistige Gesundheit.
»Ivory Coast« war die Geschichte um das tragische Scheitern eines portugiesischen Abenteurers im 16. Jahrhundert. Tom Rawlins spielte den Edelmann und Sklavenjäger, der sich dann wegen der an den Sklaven verübten Gräuel gegen den Vizekönig erhob. Durch diese Rebellion und weil er die Sklaverei abschaffen wollte, erzeugte Diego Cabrez ein Fiasko, das mit seinem Tod und einem Blutbad unter den Sklaven, angerichtet von portugiesischen Soldaten, endete.
Sue-Ann Bailey spielte die Dona Ines Roché, eine blonde Schönheit, unter deren Einfluss sich Cabrez vom Saulus zum Paulus wandelte. Norma Blake war als Elena de Astoria seine frühere Geliebte und ihre Rivalin. Sue-Ann hatte die tragende Rolle und trat subtil und verführerisch hervor.
Ihre Reinheit brachte Cabrez zu Fall.
Sue-Ann musste für ihre Rolle alle Register ihres schauspielerischen Könnens ziehen. Dazu musste sie voll einsatzfähig sein. Im Moment zehrte sie von ihrer Substanz, und wenn der nächtliche Horror für sie nicht endete, würde es ein böses Ende nehmen.
Jetzt erst, auf dem Weg zu dem Eingeborenendorf und dem Medizinmann Lomungé, erzählte ihr Anderson beiläufig von der Leopardenspur.
»Aber... das würde bedeuten, dass meine Träume einen realen Hintergrund haben«, sagte die Blondine entsetzt. »Dass es sich nicht nur um Ausgeburten meines Geistes handelt.«
»Es fragt sich, auf welche Weise«, entgegnete Ed Anderson. Er hatte eine schwere automatische Pistole am Gürtel hängen. Im Dschungel, durch den sie gingen, empfahl sich diese Vorsichtsmaßnahme. »Es könnte sein, dass jemand dir einen Heidenschrecken einjagen wollte und das Trittsiegel in den Zelteingang drückte.« Grübelnd fuhr der Regisseur fort: »Ich glaube, die beiden Askaris, die dich bewachen sollten, haben doch etwas gesehen. Aber sie hatten Angst, es mir zu sagen. Deshalb sind sie verschwunden. – Im Dorf werden wir von Lomungé weiteres erfahren.«
Später sollte an dem Tag weitergedreht werden. Vor allem am Abend, nach Einbruch der Dunkelheit, waren Aufnahmen zu machen. Wegen des Tors, das Anderson verlangte, kam es zu einem Aufschub und Stockungen bei den Dreharbeiten. Doch das gar nicht gedreht wurde, hatte der Produktionsleiter Dallas übertrieben dargestellt.
Affen keckerten im Urwald. Die Urwaldriesen, von denen welche vierzig Meter und höher waren, breiteten ihr Laubdach über dem Dschungelpfad aus. Diffuses Dämmerlicht herrschte. Der Pfad war durchs Unterholz geschlagen.
Er führte vom Camp der Filmleute zum Eingeborenendorf Bouradake am Bandama-Fluss, der breit dahinströmte. Graupapageien, Riesenhelmvögel und Bülbüls lärmten in den Bäumen. Eine Schlange kroch über den Pfad.
Sue-Ann blieb stehen.
»Das ist eine harmlose Schlange«, sagte Ed Anderson beruhigend. »Der Waldbüffel da vorn ist weit weniger harmlos. Rühre dich nicht.«
Der Büffel, ein mächtiger Bursche mit schwarzglänzendem Fall und riesigen Hörnern, trottete über den Pfad. Die luden weniger breit aus, wie es bei Savannenbüffeln der Fall war. Sonst wäre der Büffel gegen damit gegen die Bäume gestoßen.
Er sah schlecht. Die Witterung der beiden Menschen erhielt er nicht. So verschwand er im Wald.
Die Begegnung mit Büffeln und Nashörnern konnte gefährlich
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