Die schoenen Muetter anderer Toechter
Allerdings machten sie vor einem Jahr den Fehler, eine gemeinsame Wohnung zu beziehen. Seitdem fielen täglich neue Schranken. Erinnere man sich an alles, was man jemals zum Thema Feindschaft zwischen Hunde- und KatzenliebhaberInnen gehört und als dumme Sagen abgetan hat: Hier ist es Realität! Ich habe seitdem oft gedacht, wie sehr die beiden sich lieben müssen, um sich diesem Terror täglich auszusetzen.
Lothar ist Wohnästhet und Kunstfreund. Er liebt helle Polstermöbel und weiße Wände, weil sie farbenfrohe Gemälde oder wohlpointierte Wohnelemente wie zum Beispiel eine uralt wirkende Schatztruhe oder gepflegte Katzen so wunderbar zur Geltung kommen lassen. Frauke dagegen ist eine naturverbundene Träumerin, die nichts lieber tut, als mit dreckbespritzten Hosen und einer ebensolchen Loulou durch Felder und Wiesen zu streunen, Stöckchen zu schleudern und Frischluft einzusaugen.
Für Kindereien ist sie, genau wie Loulou, immer zu haben. Und ich glaube, das war ausschlaggebend dafür, dass sie mir jetzt zuzwinkerte und grinste.
»Meine Güte, muss es dich erwischt haben!«
»Hier ist das Kennzeichen.« Ich schob ihr einen Zettel über den Tisch, und sie nahm ihn, steckte ihn in die weiten Taschen ihrer Cordhose.
»Wenn du ihren Namen weißt, wirst du sie anrufen?«
Ich schüttelte den Kopf. »Nein, das wäre ja ein regelrechter Überfall. Das ist sehr unschön und wirkt penetrant. Ich muss mir etwas ganz Besonderes einfallen lassen. Etwas, womit ich sie anspreche und von dem sie gleich fasziniert sein wird. Aber vielleicht kann ich ja vorher noch etwas über sie herausfinden? Etwas, das mir weiterhilft.«
Frauke sah beeindruckt aus. »Du gehst das an wie einen neuen Fall, hm?« So nannte sie unsere Fernsehaufträge. Frauke gab sich gern der Illusion hin, statt eines profanen Journalistinnenbüros eine Detektei zu betreiben. Sie stellte sich das dramatische Leben einer Marlowe irgendwie spannender vor als die mühselige Recherche zum Thema Berufsausbildung für Feuerwehrmänner.
»Nicht so sachlich«, berichtigte ich und seufzte dann tief. »Weiß die Göttin, nicht so sachlich.«
Es klingelte an der Tür.
Frauke zog die Augenbrauen hoch. Ich zuckte die Achseln, und sie ging nachschauen, wer sich an einem Sonntagmorgen so früh zu mir verirrt hatte.
Ich hörte ihre Stimme etwas von »Fuß kaputt« und »wenig geschlafen« argumentieren, aber der Besuch erwiderte etwas energisch und mit hoher klirrender Stimme und ließ sich nicht abwimmeln. Einen Augenblick lang dachte ich sogar, eine Art Handgemenge zu hören. Und im nächsten Moment stürzte Frederike aufgelöst in die Küche.
Ihre Augen waren weit aufgerissen, und sie atmete schwer, als sei sie gerannt. In der Hand hielt sie verkrampft einen dicken Notizblock plus Kugelschreiber.
Frauke erschien etwas konsterniert hinter ihr im Türrahmen und deutete mir an, dass sie machtlos gewesen sei. Zur ihr unbekannten Frederike gewandt murmelte sie leicht gekränkt: »Hättest mich nicht gleich schubsen müssen …«
Aber Frederike bedachte sie nur mit einem kurzen gehetzten Blick. Sie ist diejenige unter meinen Freundinnen, die ich für ihre spinnerte Art am meisten liebe. Ihr musste ich die Sache mit der Alm damals als Einziger nicht erklären, und das erklärt gewiss so einiges.
Ich lernte Frederike durch mein Studium der Film- und Fernsehwissenschaften kennen. Wir saßen in den gleichen Seminaren. Als wir zum zweiten Mal in Konflikt miteinander gerieten, da wir beide dasselbe Referatsthema auf der Liste ausgesucht hatten, beschlossen wir, uns näher kennenzulernen. Wir bearbeiteten das Referat gemeinsam und sind seitdem Freundinnen.
Frederike ist Autorin. Das heißt, ähnliche Dinge, wie sie in meinem Kopf zwar Purzelbäume schlagen können, allerdings zwischen meinen Schädelwänden gefangen sind, finden bei ihr einen Ausgang und gelangen aufs Papier.
Nun schreibt Frederike aber keine Kriminalgeschichten, keine Sciencefiction und keine Kindermärchen. Sie schreibt freche und witzige Geschichten aus ihrem Leben, und das ist nun mal, genau wie meines, ein lesbisches Leben. Die Szene des Ruhrgebiets ist Frederikes Zuhause, und dort ist sie inzwischen berühmt. Ihr erster Roman erschien vor zwei Jahren und schlug ein wie eine Bombe. Zig Frauen erkannten sich in den beschriebenen Personen dieser Lesbenszene-Liebesgeschichte wieder, freuten oder empörten sich. Frederike tourte mit ihrem Buch von Lesung zu Lesung, und nach kurzer Zeit war ihre
Weitere Kostenlose Bücher