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Die schönsten Dinge

Die schönsten Dinge

Titel: Die schönsten Dinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Toni Jordan
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tragen würde. Es hatte einen kleinen, gedrungenen Griff und einen burgunderroten Emailleüberzug mit goldenen Verzierungen. Ruby hielt es immer griffbereit, weil sie fand, es gebe fast immer etwas zu beobachten.
    Ich wartete an der Stelle, an der die Einkaufspassage in die enge Seitengasse mündete. Mit baumelnden Beinen saß ich auf einem Blumenkübel aus Beton voll Erde und braunen, kratzigen Palmen und wartete darauf, dass eine Frau vom Einkaufen herauskam. Die Passage war seltsam. Selbst an sonnigen Tagen war es dort dunkel – sie hätte einer Höhle geglichen, wären Höhlen mit spanischen Fliesen ausgelegt, auf denen die Absätze der Frauen klackerten. Eine der Frauen könnte ein Geschäft verlassen, in dem es gewundene Glasskulpturen oder handgemachte Hüte zu kaufen gab, oder vor einem Schaufenster mit goldenen Lettern stehen bleiben, einem Laden für Miederwaren oder geprägtes Papier, und dann nach links statt nach rechts gehen. Man konnte leicht hier bei mir landen statt auf dem sicheren Weg zur Straße.
    Ich wusste, was ich sagen und wie ich zwischendurch schluchzen sollte. Tagelang hatte ich mit meinem Vater und Ruby geübt, immer wieder. Vor Aufregung hatte ich in der Nacht davor kaum geschlafen, aber als es jetzt so weit war, fing ich an zu zittern. Das Frühstück lag mir schwer im Magen. Was, wenn ich alles vergaß? Wenn ich alle enttäuschte?
    Ich holte tief Luft. Denk an die Regeln. Die erste Regel ist einfach. Bitte nie um Geld.
    Â»Alle Welt bittet um Geld«, sagte mein Vater immer. Er saß mir dabei in seinem Arbeitszimmer gegenüber, zwischen uns der Schreibtisch aus dunklem Holz mit grüner Lederauflage, und beugte sich vor, um mir die Regeln zu erklären. Mein Vater war alt, noch älter als Ruby. Sein Haar war weiß und schütter. Er war ein wichtiger Mann, das wusste ich, aber er war nie zu beschäftigt, um meine Fragen zu beantworten oder mir Geschichten zu erzählen oder mich neben ihm sitzen zu lassen, während er arbeitete. Manchmal lag ich auf dem Boden und malte für ihn Bilder, die er feierlich einrahmte und hinter seinem Schreibtisch aufhängte.
    In seinem Arbeitszimmer führten wir ernsthafte Gespräche, und nie lachte er mich aus oder ließ mich spüren, dass ich ein Kind war. Manchmal durfte ich allerdings in seinem Ledersessel sitzen, und er drehte mich, bis mir schwindlig wurde. Oder er lief mit den Händen hinter dem Rücken auf und ab, groß und elegant, und ich drehte den Kopf, um ihm dabei zuzusehen. Er trug immer ein Sakko und ein Seidentuch. Wenn er mir etwas Wichtiges erzählte, klopfte er dabei mit dem Ring an seinem kleinen Finger auf den Tisch. Es gab nichts, was mein Vater nicht wusste.
    Ich war die Jüngste. Sam war vier Jahre älter als ich und arbeitete schon richtig. Am Wochenende verkaufte er aus dem Kofferraum Lederjacken an Leute, die es nicht scherte, dass die Sachen offensichtlich gestohlen waren. Sie sahen fabelhaft aus, zumindest galt das für die Jacke, die Sam den Leuten zum Fühlen und Anprobieren gab. Was sie kauften, war in dicker Plastikfolie verpackt und stellte sich zu Hause als ein Stück weiches Leder heraus, das um ein Bündel Stoffreste gewickelt war. Sam besaß wirklich Potenzial, das sagten alle. Schon damals hatte er den Bogen raus.
    Mein Vater war die Regeln mit ihm schon vor Jahren durchgegangen, auch mit meinen Cousins. Er war der Patriarch, deshalb fiel ihm diese Pflicht zu.
    Ãœber aufdringliche Werbespots im Fernsehen und Klinkenputzer rümpfte mein Vater die Nase. »Kaufen Sie dies, leihen Sie das. Diesen Plunder brauchen Sie unbedingt. Zinsfrei. Ohne Anzahlung. Ständig wollen die Leute einem irgendwelchen Mist verkaufen, der nichts als Ballast ist«, erklärte er mir. »Wir sind anders. Wir bitten nie um etwas. Der Trick ist, so zu tun, als wollte man ihr Geld nicht. Lass dich von ihnen überreden, es anzunehmen. Du musst dich nicht schämen, Della. Wir sind keine Bettler.«
    Mir kam es wie Stunden vor, dabei waren es sicher nur ein paar Minuten, bis eine Frau kam. Sie konnte mich gar nicht übersehen. Ich hielt den Kopf gesenkt, hatte die Hände vor das Gesicht geschlagen, die roten Locken hingen mir in die Augen. Dazu trug ich mein Lieblingskleid. Ich sehe es noch vor mir: blauviolettes Paisleymuster und Träger mit Knoten auf meinen blassen Schultern. Es war wichtig, ordentlich auszusehen, nicht

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