Die schönsten Erzählungen (Die schönsten Erzählungen / Geschichten) (German Edition)
scheckigen Wallach kränkte zwar die Handlungsweise des Pferdeknechts, doch ließ er sich nichts anmerken und ging, langsam seinen spärlichen Schweif schwenkend und dies und jenes beschnuppernd oder auch – lediglich zur Zerstreuung – mal einen Grashalm abrupfend, auf den Fluss zu. Ohne sich im Geringsten darum zu kümmern, was um ihn herum die sich des Morgens freuenden jungen Stuten, die einjährigen Hengste und Fohlen trieben, und wohl wissend, dass es der Gesundheit, namentlich in seinem Alter, am zuträglichsten ist, auf nüchternen Magen zuerst tüchtig zu trinken und dann erst zu fressen, wählte er eine möglichst flache und breite Uferstelle aus und stapfte bis an die Haarbüschel der Fesseln in den Fluss hinein, steckte das Maul ins Wasser und schwenkte voller Behagen den enthaarten Stumpf seines spärlichen scheckigen Schweifs, als er nun mit seinen eingerissenen Lippen das Wasser schlürfte und seine sich füllenden Flanken auf und nieder zu wogen begannen.
Eine händelsüchtige braune Stute, die den Alten schon oft gereizt und ihm manchen Schabernack gespielt hatte, stapfte auch jetzt durch das Wasser auf ihn zu und tat so, als käme sie von ungefähr vorbei, während sie es in Wirklichkeit nur darauf abgesehen hatte, ihm vor der Nase das Wasser aufzuwirbeln und zu trüben. Doch der Schecke, der sich bereits satt getrunken hatte, gab sich den Anschein, die Absicht der Stute gar nicht zu bemerken, zog ruhig seine in den Schlamm eingesackten Füße einen nach dem anderen heraus, schüttelte den Kopf und begann, abseits von der Jugend zu fressen. Indem er die Beine auf verschiedene Weise spreizte und dadurch nicht unnötig viel Gras niedertrat, fraß er, fast ohne sich einmal aufzurichten, ganze drei Stunden lang. Nachdem er sich dermaßen vollgefressen hatte, dass sein Bauch wie ein Sack von den knochigen, spitzen Rippen herabhing, stellte er sich auf seinen vier gebrechlichen Beinen so hin, dass er beim Stehen möglichst wenig Schmerzen hatte und namentlich das rechte Vorderbein schonte, das am empfindlichsten war. In dieser Stellung schlief er ein.
Es gibt erhabene, widerwärtige und mitleiderregende Alterserscheinungen. Doch gibt es auch solche, die zugleich erhaben und widerwärtig wirken. Von dieser Art eben waren die Alterserscheinungen des scheckigen Wallachs.
Der Wallach war von hoher Statur – mindestens zwei Arschin und drei Werschok hoch. Sein Fell war schwarz gescheckt, wobei allerdings die schwarzen Stellen mit der Zeit eine schmutzigbraune Färbung angenommen hatten. Die scheckigen Flecke verteilten sich auf drei Stellen. Der eine Fleck begann auf dem Kopf, bog seitlich der Nüstern ab und zog sich schräg über den halben Hals, von dem die lange, mit Kletten durchsetzte, teils weiße, teils bräunliche Mähne herabhing; der zweite Fleck zog sich die rechte Flanke entlang bis zur Mitte des Bauches, und der dritte, der von der Kruppe ausging, erstreckte sich über den Schweifansatz und die halben Schenkel. Der Rest des Schweifes war weißlich gesprenkelt. Der große, knochige Kopf mit seinen tief in den Höhlen liegenden Augen und der schlaffen, irgendwann einmal eingerissenen schwarzen Lippe hing schwer und tief von dem vor Magerkeit gekrümmten Hals herab, der aussah, als sei er aus Holz. Hinter der herabhängenden Lippe sah man die vom Gebiss zur Seite gedrückte dunkle Zunge und die gelben Stummel der abgewetzten unteren Zähne. Die Ohren, von denen eins einen Riss aufwies, hingen schlaff zu beiden Seiten des Kopfes herab und wurden von dem Wallach nur ab und zu träge bewegt, wenn er die auf ihnen sitzenden Fliegen verscheuchen wollte. Eine Strähne des noch ziemlich vollen Stirnhaars hing hinter einem Ohr herunter, die Stirn selbst war kahl, eingefallen und stoppelig, und an den breiten unteren Kinnladen hing sackartig die Haut herab. Die Adern auf dem Kopf und am Halse waren voller Knoten und zuckten und zitterten jedes Mal, wenn sie von Fliegen berührt wurden. Die Züge des Wallachs hatten einen streng-geduldigen, scharfsinnigen und leidenden Ausdruck. Seine Vorderbeine waren in den Knien gekrümmt, an beiden Hufen hatte er Geschwülste, und das eine Bein, das bis zur Hälfte scheckig war, wies am Knie eine faustgroße Beule auf. Die Hinterbeine waren zwar besser erhalten, hatten jedoch an den Schenkeln offenbar schon seit langem wund geriebene Stellen, an denen das Fell nicht mehr nachwuchs. Im Verhältnis zum hageren Körper schienen sowohl die Hinter- als auch die
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