Die schönsten Erzählungen
Magd wie neulich tat ihm auf und fragte nach seinem Begehren, ohne ihn zu erkennen. Matthias bat, die Hausfrau noch heute abend sprechen zu dürfen, und gab dem Mädchen ein verschlossenes Billett mit, das er vorsorglich noch in der Stadt geschrieben hatte. Sie ließ ihn, der späten Stunde wegen, ängstlich,im Freien warten, schloß das Tor wieder ab und blieb eine bange Weile aus. Dann aber schloß sie rasch wieder auf, hieß ihn mit verlegener Entschuldigung ihrer vorigen Ängstlichkeit eintreten und führte ihn in das Wohnzimmer der Frau, die ihn dort allein erwartete.
»Guten Abend, Frau Tanner«, sagte er mit etwas befangener Stimme, »darf ich Sie nochmals für eine kleine Weile stören?«
Sie grüßte gemessen und sah ihn an.
»Da Sie, wie Ihr Billett mir sagt, in einer sehr wichtigen Sache kommen, stehe ich gerne zur Verfügung. – Aber wie sehen Sie denn aus?«
»Ich werde Ihnen alles erklären, bitte, erschrecken Sie nicht! Ich wäre nicht zu Ihnen gekommen, wenn ich nicht das Zutrauen hätte, Sie würden mich in einer sehr schlimmen Lage nicht ohne Rat und Teilnahme lassen. Ach, verehrte Frau, was ist aus mir geworden!«
Seine Stimme brach, und es schien, als würgten ihn Tränen. Doch hielt er sich tapfer, entschuldigte sich mit großer Erschöpfung und begann alsdann, in einem bequemen Sessel ruhend, seine Erzählung. Er fing damit an, daß er schon seit mehreren Jahren des Klosterlebens müde sei und sich mehrere Verfehlungen vorzuwerfen habe. Dann gab er eine kurze Darstellung seines früheren Lebens und seiner Klosterzeit, seiner Predigtreisen und auch seiner letzten Mission. Und darauf berichtete er ohne viel Einzelheiten, aber ehrlich und verständlich sein Abenteuer in der Stadt.
5
Es folgte auf seine Erzählung eine lange Pause. Frau Tanner hatte aufmerksam und ohne jede Unterbrechung zugehört, zuweilen gelächelt und zuweilen den Kopf geschüttelt, schließlich aber jedes Wort mit einem gleichbleibenden gespannten Ernst verfolgt. Nun schwiegen sie beide eine Weile.
»Wollen Sie jetzt nicht vor allem andern einen Imbiß nehmen?« fragte sie endlich. »Sie bleiben jedenfalls die Nacht hier und können in der Gärtnerwohnung schlafen.«
Die Herberge nahm der Pater dankbar an, wollte jedoch von Essen und Trinken nichts wissen.
»Was wollen Sie nun von mir haben?« fragte sie langsam.
»Vor allem Ihren Rat. Ich weiß selber nicht genau, woher mein Vertrauen zu Ihnen kommt. Aber in allen diesen schlimmen Stunden ist mir niemand sonst eingefallen, auf den ich hätte hoffen mögen. Bitte, sagen Sie mir, was ich tun soll!«
Nun lächelte sie ein wenig.
»Es ist eigentlich schade«, sagte sie, »daß Sie mich das nicht neulich schon gefragt haben. Daß Sie für einen Mönch zu gut oder doch zu lebenslustig sind, kann ich wohl begreifen. Es ist aber nicht schön, daß Sie Ihre Rücckehr ins Weltleben so heimlich betreiben wollten. Dafür sind Sie nun gestraft. Denn Sie müssen den Austritt aus Ihrem Orden, den Sie freiwillig und in Ehren hätten suchen sollen, jetzt eben unfreiwillig tun. Mir scheint, Sie können gar nichts anderes tun, als Ihre Sache mit aller Offenheit Ihren Oberen anheimstellen. Ist das nicht Ihre Meinung?«
»Ja, das ist sie; ich habe es mir nicht anders gedacht.«
»Gut also. Und was wird dann aus Ihnen werden?«
»Das ist es eben! Ich werde ohne Zweifel nicht im Orden behalten werden, was ich auch keinesfalls annehmen würde. Mein Wille ist, ein stilles Leben als ein fleißiger und ehrlicher Mensch anzufangen; denn ich bin zu jeder anständigen Arbeit bereit und habe manche Kenntnisse, die mir nützen können.«
»Recht so, das habe ich von Ihnen erwartet.«
»Ja. Aber nun werde ich nicht nur aus dem Kloster entlassen werden, sondern muß auch für die mir anvertrauten Summen, die dem Kloster gehören, mit meiner Person eintreten. Da ich diese Summen in der Hauptsache nicht selber veruntreut, sondern an Schelme verloren habe, wäre es mir doch gar bitter, für sie wie ein gemeiner Betrüger zur Rechenschaft gezogen zu werden.«
»Das verstehe ich wohl. Aber wie wollen Sie das verhüten?«
»Das weiß ich noch nicht. Ich würde, wie es selbstverständlich ist, das Geld so bald und so vollkommen als möglich zu ersetzen suchen. Wenn es möglich wäre, dafür eine einstweilige Bürgschaft zu stellen, so könnte wohl ein gerichtliches Verfahren ganz vermieden werden.«
Die Frau sah ihn forschend an.
»Was wären in diesem Falle Ihre Pläne?« fragte sie dann
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