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Die schoensten Weihnachtsgeschichten

Die schoensten Weihnachtsgeschichten

Titel: Die schoensten Weihnachtsgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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die Große wirklich und sah mit ernsten Augen auf die arbeitenden Meisterhände hinab.
    »Ich glaube, wir warten besser nicht«, meinte die Mutter. »Sie wird nicht fortgehen, ehe die Arbeit fertig ist.«
    Sie verstand ihre Große. Sie hatte geschwiegen damals, aber sie war nicht gesonnen, noch einmal diesem treulosen Manne zu vertrauen. Mehl und Zucker waren dahin, aber der Koppelriemen sollte nicht auch dahingehen. Sie blieb, bis die Sohle fertig, bis das letzte Stück verarbeitet war.
    Die Eltern saßen längst wieder in der Stube, spät erst hörten sie die Tochter in der Küche rascheln. »Wir tun am besten, als hätten wir ihr Fortsein gar nicht gemerkt«, flüsterte die Mutter eilig.
    Gewiß, sie taten viel Unpädagogisches in diesen Tagen.Der Vater tat, als habe er nie ein Lederkoppel besessen, es wurden auch keine Einwendungen dagegen erhoben, daß die sechsjährige Tochter aus eigenem Ermessen über einen dem Vater gehörigen Gegenstand verfügt hatte, als die frisch besohlten Schuhe als größte Weihnachtsüberraschung erschienen waren. Gewiß, pädagogisch war vieles einzuwenden.
    Und doch, es war alles gut, wie es gekommen war. Jetzt konnte die Mutti sich von ihrer Großen gut anfassen und »Baberbeinchen-Mutti« nennen lassen, es gab kein krankhaftes Mitleid mehr dabei und kein Gefühl, als seien sie weniger als andere. Die Welt war wieder heil geworden durch einen Militärkoppelriemen, der friedlichen Zwecken zugeführt worden war.
    »Wie alt bist du eigentlich, meine Große?« fragte der Vater.
    »Sechs!« antwortete das Kind.
    »Sechs was –?« rief die Mutter mahnend. »Sechs paar Schuhe wohl?«
    »Sechs Jahre, Baberbeinchen-Mutti!« antwortete nun die Große zögernd. Es blieb dabei, dieses Kind verstand und lernte ungemein schwer.

WEIHNACHTEN DER PECHVÖGEL
    Ich möcht wirklich gern mal wissen, wie das bei andern Leuten mit ihren Festtagen und besonders mit Weihnachten ist, ob da alles wirklich immer klappt? Natürlich tun wir stets so, als sei auch bei uns alles in Ordnung, aber ich hab noch kein Weihnachtsfest erlebt, wo’s glatt ging bei uns. Daß eines von uns zum Fest todsterbenskrank wird, das ist noch ’ne Kleinigkeit, aber was meint ihr zu ’nem Heiligen Abend, wo ’ne halbe Stunde vor der Bescherung uns Einbrecher alle Geschenke einschließlich Baum und Festbraten klauten? Oder ein Fest mit Stubenbrand, Feuerwehr und Wasserschaden? Oder ein bunter Teller, auf den ein von uns nie entdeckter Witzbold zwischen die Süßigkeiten Laxinkonfekt geschmuggelt hatte, und wir mußten die ganzen Festtage laufen, laufen, laufen –?!!
    Das kommt natürlich alles daher, daß wir »Pech« heißen; wer Pech heißt, muß Pech haben, sagt Vater immer. Vater hat noch ’ne ganze Menge solcher verschrobenen Redensarten, zum Beispiel sagt er oft, auch wenn alle Leute dabei sind, ganz laut: »Auf mir trampeln se alle egalweg rum!« oder: »Ich bin ja nur ein Wurm!« oderwenn ihm wer die Hand geben will: »Achtung! Wer Pech anfaßt, besudelt sich!«
    Ihr macht euch aber ein ganz falsches Bild von Vatern, wenn ihr euch einbildet, Vater ist ein solch demütiger, schleichender Waschlappen; im Gegenteil, Vater ist ein Mann, auf den jeder Junge stolz sein kann, und das bin ich auch! Vater hat sich bloß daran gewöhnt, an das Pech, das uns zustößt und das jeden andern längst zum Selbstmord getrieben hätte, einfach komisch zu nehmen. Ja, manchmal denke ich, Vater mag es gar nicht, wenn irgendwas bei uns so glatt geht wie bei andern Leuten. Da wird er ganz unruhig! Wenn Vater sich morgens rasiert, singt er immer ein selbstgedichtetes und selbstkomponiertes Lied, in dem so ’ne Zeilen vorkommen: »Dem Schicksal meine zottige Brust!« und »Gelobt seist du Pech, du machst mich nur frech! Ich winsele nie, werde kein demütiges Vieh!«
    Ich selbst heiße Peter Pech, gehe in die Obertertia und bin wirklich gespannt darauf, ob ich dieses Mal versetzt werde. Voriges Mal bin ich klebengeblieben, aber das lag wirklich weder an meinen Geistesgaben noch an meinem Fleiß, sondern allein an meinem Pech – aber das ist eine ganz andere Geschichte, wie Kipling sagt. Diese Geschichte aber, wie’s vorige Weihnachten 1945 bei uns zuging, erzähle ich, der Obertertianer Peter Pech, nur darum, um sie an eine Zeitung zu verkaufen. Ich brauche nämlich Geld, nicht nur so dringend wie immer, sondern diesmal extraextra dringend, weil ich nämlich all meine für Geschenke gesparten Piepen an Vater abgeliefert habe. Davon und von

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