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Die schonende Abwehr verliebter Frauen oder Die Kunst der Verstellung - Soboczynski, A: Die schonende Abwehr verliebter Frauen

Die schonende Abwehr verliebter Frauen oder Die Kunst der Verstellung - Soboczynski, A: Die schonende Abwehr verliebter Frauen

Titel: Die schonende Abwehr verliebter Frauen oder Die Kunst der Verstellung - Soboczynski, A: Die schonende Abwehr verliebter Frauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Soboczynski
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bis die Nachbarn aus den
     Fenstern lugten und sich lauthals über das Ballspiel beschwerten, an die holzvertäfelten Kneipen der Pubertät, an darin von
     Kerzenlicht bestrahlte Gesichter, denen jede Glühbirne die Schönheit geraubt hätte. Im Kerzenlicht konnte, so die Hoffnung,
     Sabine, die in der Schule einen Jahrgang über mir und für alle unerreichbar war, weder Akne noch Fahrigkeit erahnen.
    Ja, so finster war es noch vor nicht einmal zwanzig Jahren, dass man, wie sich jeder erinnert, das Haus nach dem Abendessen
     immer nur mit einer Taschenlampe verließ, wie sie auch schon an manchen wolkenverhangenen Tagen überaus nützliche Dienste
     tat. In den Geschäften hingen 20-Watt-Glühbirnen, |221| wenn überhaupt, weshalb man das Paar Schuhe, das man sich zuzulegen gedachte, zunächst tastend begutachtete und es sich dann
     ganz nah ans Gesicht hielt, um es beschauen zu können. Die Decken der Wohnzimmer waren, den Kneipen gleich, mit Holz verkleidet,
     auf der Wandtapete sah man den Schwarzwald, der Teppich war, als einziger Lichtblick zum restlichen Inventar, von einem nicht
     allzu dunklen, melierten Grau.
    Ja, selbst noch das Einkaufszentrum unserer Stadt, die sich rühmen konnte, eines der ersten Einkaufszentren Deutschlands überhaupt
     zu haben, das man auf einem von schweren Luftangriffen zerstörten Gelände errichtet hatte (auf welchem zuvor das Artillerie-Depot
     des VIII. preußischen Armee-Korps stand), wurde zu einem Tempel der Helligkeit erst nach entschiedenen Renovierungen späterer
     Jahre, indem alles Nichtgleißende und Nichtspiegelnde in den Innenräumen mit Eifer abmontiert wurde und es nunmehr darin einem
     scheint, als sei die Schrecksekunde des Blitzlichts verewigt. Heute zeugt nur noch die in ganz unzeitgemäßem Braun gekachelte
     Außenfassade von der dunklen Vergangenheit.
    Im Leben gibt es bekanntermaßen Zufälle, die man niemals in einem Roman oder Film darstellen würde, da sie als viel zu unwahrscheinlich
     angesehen würden. Als viel zu unwahrscheinlich, um es zu erzählen, muss jedenfalls zweifellos angesehen werden, dass ich Sabine,
     die in ihrer Schulzeit für alle unerreichbar war, beinahe fünfzehn Jahre später in einer ganz anderen Stadt, in einem mir
     bis heute unfasslichen Zusammenhang wiedertraf.
    |222| Der Freund, der erfolgreich etwas mit Kultur macht, hatte vor längerer Zeit am Telefon, nach einer ihn aufs äußerste belastenden
     Phase der Beziehungslosigkeit, während der er in den unglücklichsten nächtlichen Unternehmungen auf Abhilfe seines Status
     drängte, in entrückter Weise von einer ihn auf der Vernissage eines Künstlers, der (in Fachkreisen durchaus gerühmte) düster-surreale
     Bilder malte, anlächelnden Frau gesprochen, die er, entgegen seinem gewohnt forschen Auftritt, sich anzusprechen nicht traute.
     Sabine selbst hat ihn angesprochen, als die beiden schließlich wie ganz zufällig und in ernsthafter Versenkung gemeinsam vor
     einem Bild standen, das einen Raben am Strand zeigte, der auf eine ganz verlorene Weise vor wolkenverhangenem Himmel im Sand
     herumpickte. Auch auf den anderen Bildern in den Ausstellungsräumen sah man Strände, mit jeweils unterschiedlichen Tieren,
     die lagen, krochen oder standen.
    Wie Leonora Carrington, sagte Sabine nur, den Raben betrachtend. Ganz geistesabwesend und wie nur zu sich selbst, woraus sich
     aber rasch ein Wortwechsel entsponn, zunächst Kunstgeschichtliches betreffend, der, sozusagen umstandslos, wie man im Rückblick
     weiß, in eine langjährige Beziehung mündete.
    Es war, wie sich denken lässt, als ich das Paar vor einigen Jahren in einem Café verabredungsgemäß traf, in dem vorzugsweise
     Salat mit hauchdünnen Ziegenkäsescheiben serviert wurde und das von gleißend heller Innenbeleuchtung geprägt war, die Überraschung
     natürlich mehr als groß. Wir erkannten uns sogleich wieder und standen mit weit aufgerissenen |223| Augen voreinander, was der Freund, der erfolgreich etwas mit Kultur macht, unwissend wie er war, nur mit erheblichem Stirnrunzeln
     kommentierte. Sie hatte sich kaum verändert, gewiss hier und da ein Fältchen, ansonsten: dasselbe, schon vor fünfzehn Jahren
     alle ihre Mitschüler verwirrende, ganz helle, ganz stark an Porzellan und entsprechende Puppen erinnernde Gesicht.
    Es war jedenfalls, um den Exkurs zu vollenden, dieses ganz unwirklich grell ausgestrahlte Café gewesen, in dem mir überhaupt
     erst klar geworden ist, wie sehr sich die Welt doch aufgehellt

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