Die Schuld des Anderen
Notizbuch heraus. Zwei Stunden lang war er eifrig damit beschäftigt, eine Nachricht in eine Geheimschrift zu verschlüsseln. Er ließ die Botschaft noch am gleichen Nachmittag an drei verschiedene Adressen abgehen.
Nachdem er dies erledigt hatte, setzte er sich in einen Sessel und döste vor sich hin, bis es fünf Uhr schlug. Er klingelte und bestellte Tee, denn jeden Augenblick erwartete er Besuch.
Der kräftige, etwas unbeholfene Mann, der gleich darauf hereingeführt wurde, fühlte sich in der vornehmen Umgebung sichtlich nicht sehr behaglich.
»Setzen Sie sich, Tiger!« forderte ihn Helder freundlich auf und zeigte auf einen Stuhl.
Der Besucher setzte sich vorsichtig auf die Stuhlkante und legte seinen Hut neben sich auf den Boden.
»Mr. Helder - wir müssen einen neuen Weg suchen …«
Helder hob zustimmend die Hand.
»Ich weiß, ich weiß, unsere Leute beklagen sich, daß es schwierig wird, die amerikanischen Noten abzusetzen. Wir müssen etwas unternehmen.«
Tiger Brown nickte heftig.
»So ist es -«, bestätigte er mit einem Seufzer der Erleichterung. »Ich fürchtete schon, Sie wären anderer Meinung. In den Vereinigten Staaten war die Sache gerade richtig in Schwung gekommen - aber jetzt sind die Leute ängstlich geworden. Es geht das Gerücht, die Polizei habe eine neue Prüfungsmethode gefunden. Unser Agent in Philadelphia, der gewöhnlich fünfhundert Scheine im Monat übernahm, will nur noch hundert nehmen.«
Helder ging im Zimmer auf und ab. Die Tür hatte er verschlossen, nachdem Brown hereingekommen war. Jetzt vergewisserte er sich geistesabwesend, indem er noch einmal auf die Klinke drückte.
Tiger Brown beobachtete ihn mit zusammengekniffenen Augen.
»Sie sind wohl selbst schon ein wenig unruhig, nicht wahr?« fragte er lauernd.
»Nein, nein«, erwiderte Helder rasch. »Ich bin nicht nervös, nur vorsichtig - das ist alles. Wie funktioniert es eigentlich mit den französischen Noten, die wir wegschickten?«
»Ich weiß nicht, ich habe nicht viel Vertrauen dazu. Es fehlt ihnen einfach die Qualität der amerikanischen Scheine. - Wie steht es mit diesem Maple?«
Helder verzog ärgerlich den Mund.
»Ich glaube nicht, daß wir den kriegen. Er arbeitet - oder hat zumindest für Gold gearbeitet.«
»Hm, da haben Sie also kein Glück gehabt? Kann man da nicht ein wenig nachhelfen?«
Helder schüttelte den Kopf.
»In diesem Land ist das nicht so einfach. Immerhin sollte man sich überlegen …« Wieder ging er unruhig im Zimmer auf und ab. »Maple -«, murmelte er vor sich hin, »ich bin gespannt, ob …«
Unvermittelt brach er ab.
»Was wollten Sie sich überlegen?« drängte Brown. »Es muß doch ein Mittel geben, ihn unter Druck zu setzen. Hat er nicht eine Tochter?«
»Eine Nichte«, verbesserte Helder. »Aber die lassen wir lieber aus dem Spiel.«
»Ganz egal, ob Tochter oder Nichte -«, meinte Tiger ungeduldig, »jedenfalls müssen wir etwas unternehmen!« Helder sagte nichts. »Was ist mit Gold?« fragte Tiger.
»Er ist eine große Gefahr«, antwortete Helder besorgt. »Ich bin mir nicht im klaren, wie weit seine Macht reicht, und was er vorhat. Schließlich ist er der Mann, der Washington über die Vorgänge in London informiert - natürlich tut er das auf dem Umweg über das Konsulat. Ja … Wir müßten Maple auf unsere Seite bringen - er ist der beste Fachmann in ganz Europa! Man könnte es jedenfalls noch einmal versuchen. Als ich das letztemal mit ihm sprach, schien er sich allerdings nicht bluffen lassen zu wollen.«
»Na, vielleicht klappt’s jetzt?« Brown lächelte hintergründig. »Ich erinnere mich an Leute - ich arbeitete damals noch für Harragon -, die sich weder beim ersten noch beim zweiten Versuch kaufen ließen. Aber wenn man sie dann richtig anfaßte, fraßen sie einem beim drittenmal aus der Hand.«
Sie vereinbarten einen Treffpunkt und verließen Curzon Street. Zuerst ging Brown, fünf Minuten später folgte ihm Helder.
Am Piccadilly Circus trafen sie sich wieder. Helder wollte zum Ostend, und Brown begleitete ihn. Sie lösten Fahrkarten und stiegen dann in den Lift, der sie zu den Bahnsteigen bringen sollte. Es befanden sich etwa ein Dutzend Menschen im Aufzug. Der Liftführer schloß die Tür, als plötzlich eine Dame aufschrie.
»Ich bin bestohlen worden!« rief sie hysterisch und zeigte auf ihre offene Handtasche.
Zwei kräftige, gutgekleidete Männer standen neben der Lifttüre. Einer von ihnen trat zu der Dame und sprach mit ihr, dann wandte
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