Die Schuld des Anderen
fertig war, las er alles noch einmal genau durch und brachte an verschiedenen Stellen Korrekturen an. Dann zog er seine Brieftasche hervor, entnahm ihr drei amerikanische Banknoten im Wert von je tausend Dollar, schob Geld und Briefblätter in einen länglichen Umschlag und schrieb eine Adresse darauf.
Er steckte das Kuvert in die Brusttasche, drehte das Licht aus und saß lange mit gesenktem Kopf vor dem Schreibtisch. Erst als eine Uhr in der Stadt elf schlug, erhob er sich mit einem leisen Seufzer, trat ans Fenster, schaute hinaus und schloß es dann behutsam. Er tastete sich durch das dunkle Zimmer zur Tür, öffnete sie und lauschte. Das Haus war totenstill.
Schnell huschte er die Treppe hinunter, öffnete lautlos die Haustür und trat auf die Straße. Beim nächsten Briefkasten hielt er an, um den Brief einzuwerfen. Er war an Comstock Bell, Terriers-Klub, adressiert. Ein schwaches Lächeln glitt über die Züge des Mannes, als er den Brief in den Kasten schob.
Am nächsten Tag kam Comstock Bell zum Lunch in den Terriers-Klub. Der Portier übergab ihm einen Brief, dessen Adresse in einer sehr merkwürdigen Handschrift geschrieben war. Ein Sachverständiger hätte sofort erkannt, daß hier jemand seine Schrift verstellt hatte.
Helder, der Bell am Eingang getroffen hatte, beobachtete scharf, wie der andere das Kuvert von allen Seiten betrachtete, in der Hand wog und den Poststempel untersuchte. Schließlich riß Bell den Umschlag auf und zog fünf engbeschriebene Blätter heraus - und drei Banknoten.
»Ein unbekannter Wohltäter?« erkundigte sich Helder verbindlich.
Bell warf einen schnellen Blick auf den Brief, runzelte die Stirn und legte das Geld wieder in den Umschlag zurück.
»Nein«, antwortete er kurz.
Nach dem Lunch ging Bell ins Schreibzimmer. Helder folgte ihm, scheinbar unabsichtlich, setzte sich an einen der Schreibtische und begann in seinem Notizbuch zu blättern. Niemand außer ihnen war im Raum.
Helder war von Natur aus neugierig, und außerdem lag es in seiner Absicht, so viel wie möglich über Comstock Bell in Erfahrung zu bringen. Als Bell das Zimmer verließ, stand auch Helder auf und schlenderte an dem Tisch vorbei, an dem Bell gesessen hatte. Man konnte nie wissen - vielleicht fand er etwas, das für ihn von Interesse war.
Seine Hoffnung hatte ihn nicht getäuscht - auf der Schreibunterlage lag der Brief, den Bell erhalten hatte.
Helder ging schnell zum Fenster, von dem aus man die Straße überblicken konnte. Wenn Bell den Brief tatsächlich vergessen hatte und weggegangen war, mußte er in einigen Sekunden vorübergehen. Er wartete ungeduldig, dann grinste er zufrieden - in diesem Moment überquerte Comstock Bell die Straße.
Jetzt zögerte Helder nicht länger - er eilte an den Tisch zurück, nahm den Umschlag und zog die engbeschriebenen Blätter heraus. Dann stellte er sich wieder ans Fenster, damit er sehen konnte, falls Bell zurückkehren sollte.
Immer wieder auf die Straße spähend, überflog er die Zeilen. Es war die gleiche unregelmäßige Handschrift wie auf dem Kuvert. Ein sonderbarer Brief - er drückte Reue und Bedauern aus; man konnte daraus entnehmen, daß der Schreiber Bell etwas schuldete und das Geld zurückgeben wollte. Helder suchte nach der Unterschrift -es verhielt sich so, wie er angenommen hatte, der Brief stammte von Willetts. Das ganze Schreiben machte einen zusammenhanglosen Eindruck. Immer wieder wurde Bell gebeten, Willetts nicht zu verraten. Einige nichtssagende Bemerkungen über das Schicksal und die Vorsehung veranlaßten Helder, verächtlich die Brauen hochzuziehen. Rasch faltete er den Brief wieder zusammen und schob ihn samt den Banknoten in den Umschlag zurück. Er legte ihn genau an die Stelle auf der Schreibunterlage, wo er ihn weggenommen hatte. Als er noch einmal einen Blick durchs Fenster warf, sah er, daß Bell soeben eilig zurückkam -offenbar hatte er den Brief jetzt doch vermißt.
Helder verließ schnell den Raum und erreichte rechtzeitig die Empfangshalle, um Bell an sich vorbeigehen zu sehen.
Er wartete.
Bell kam zurück, in der Hand hielt er den Brief. Er sah weder nach rechts noch nach links und war gleich darauf im Straßengewühl verschwunden.
Nachdenklich trat Helder den Heimweg an. Die Entdeckung, die er gemacht hatte, bestärkte ihn in seiner Annahme - Willetts, der Banknotenfälscher, war tatsächlich in London!
13
Zu Hause setzte sich Helder an den Schreibtisch, schloß eine Schublade auf und holte ein kleines
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