Die Schuld des Anderen
Richtung Frankreich verlassen. Doch - was für ein Geheimnis steckte hinter dieser plötzlichen Heirat? Bell hatte das Mädchen doch erst neulich, bei der peinlichen Szene im Büro, kennengelernt. Diese Heirat mußte irgendeinen verborgenen Grund haben - aber welchen?
»Glauben Sie, daß sie glücklich miteinander werden?« fragte Helder harmlos.
»Um Himmels willen, wie soll ich das wissen?« fuhr Gold auf. »Das zum ehelichen Glück erforderliche Anpassungsvermögen entwickelt sich sowieso erst nach längerem Zusammenleben.«
Helder amüsierte sich.
»So kann nur ein hartgesottener Junggeselle sprechen! Um aber auf Willetts zurückzukommen - habe ich etwa nicht recht? Stimmt es vielleicht nicht, daß er heute …«
»Ja, ja, fassen Sie sich - heute abend wird er verhaftet.«
»Aha, also erst, wenn Bell England verlassen und sich in Sicherheit gebracht hat!« bemerkte Helder ironisch. »Ich bin nicht gerade stolz darauf, daß er mein Landsmann ist.«
»Ach, wissen Sie, ich kann mich auch nicht erinnern, daß er je besondere Freude gezeigt hätte, daß Sie sein Landsmann sind!« Gold schaute auf seine Uhr, dann auf Helder. »Ich muß jetzt gehen. Übrigens, Sie sehen gar nicht gut aus.«
»Keine Sorge, ich fühle mich wohl …«
17
Die kleine Gesellschaft hatte beschlossen, die kurze Entfernung vom Standesamt zur Kirche zu Fuß zurückzulegen. Außer dem Küster war noch niemand dort. Hohl hallten die Schritte wider, als das Brautpaar und Gold den breiten Mittelgang entlangschritten, um vor dem Altar auf den Geistlichen zu warten. Der Straßenlärm war nur als dumpfes Summen zu hören. So hatte sich Comstock Bell eine Trauung jedenfalls nicht vorgestellt -und auch Verity war wie betäubt von der Unwahrscheinlichkeit der Situation.
Der Geistliche trat aus der Sakristei und näherte sich ihnen langsam. Feierlich sprach er die vorgeschriebenen Worte. Die Fragen und Antworten hallten seltsam durch den hohen, leeren Raum. Ein schmaler Goldreif wurde Verity über den Finger gestreift.
Dann gingen alle zusammen in die Sakristei, um ihre Unterschriften unter das Heiratsprotokoll zu setzen. Der Geistliche lobte das schöne Wetter und äußerte die Hoffnung, dieses Jahr endlich wieder einmal einen richtigen englischen Sommer zu erleben. Comstock antwortete mit einigen konventionellen Bemerkungen. Gold zahlte die Kirchengebühren und vergaß auch nicht, dem Küster, der als zweiter Trauzeuge fungiert hatte, ein respektables Trinkgeld zu geben. Und dann trat das junge Paar in das grelle Sonnenlicht des Frühlingstages hinaus.
Lächelnd sah Bell Verity an. Er war bestürzt über ihre Schönheit und das ernste, hübsche Gesicht, das sie ihm zuwandte. Er wunderte sich selbst darüber, daß ihm ihre Schönheit in diesem Augenblick zum erstenmal auffiel. Comstock hatte Verity geheiratet, ohne verliebt zu sein.
Jetzt mußte er sich jedoch eingestehen, daß es ihm äußerst angenehm war, eine so hübsche Frau zu haben. Bewundernd sah er sie an. Das einfache weiße Kleid und der breitrandige weiße Hut mit dem schwarzen Band standen ihr ausgezeichnet.
In der Empfangshalle des ›Great Central Hotel‹ führte Bell Verity zu einem Sessel. Gold hatte sich einen Moment entschuldigt.
»Werden Sie diesen Schritt auch nicht bereuen?« fragte Comstock.
»Nein, ich bereue nichts«, antwortete sie mit fester Stimme.
»Ich …« begann er zögernd.
»Bitte, lassen Sie das! Ich weiß, daß Sie mir jetzt irgend etwas sagen wollen, das mich trösten soll - und das doch nicht der Wahrheit entsprechen würde. Ich heiratete Sie, weil ich Ihnen helfen wollte. Es ist mir auch völlig klar, daß Sie mich nicht lieben - auch ich liebe Sie nicht. Wir haben uns dazu entschlossen, weil die Gründe, die Sie haben, sehr schwerwiegend sind. Gebe Gott, daß alles gut ausgeht!«
»Ja, wir wollen es hoffen - dort kommt er …« Gold trat zu ihnen, noch immer im Zylinder und feierlichem schwarzem Mantel. Er legte ab und ging mit dem Brautpaar in den Speisesaal, wo an einem Ecktisch bereits ein Imbiß für sie bereitstand.
Verity rührte kaum etwas an, und auch Comstock Bell aß nicht viel. Aber Gold, der keine ernstlichen Sorgen hatte - schließlich hatte ja nicht er geheiratet -, griff unbeschwert zu.
»Was haben Sie alles vor auf Ihrer Hochzeitsreise?« erkundigte er sich.
»Wir bleiben zuerst ein wenig in Paris«, sagte Bell.
»Von dort aus fahren wir nach München, später nach Wien, vielleicht auch noch nach Rom. Das ist vorerst
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