Die Schuld des Anderen
mich das im geringsten berührt. Es gibt keinerlei Beweise dafür, daß ich auf irgendeine Weise mit der Entführung Maples in Verbindung stehe. Wenn Sie mich hereinlegen wollen, geraten Sie nur selbst in die Patsche!«
»Ich habe mit der Sache nichts zu tun«, sagte der Untersetzte hartnäckig. »Carl hat das Ding gedreht, weil Sie ihm den Auftrag dazu gegeben hatten - genauso, wie ich Gold umlegen sollte… Aber damit wollen Sie natürlich auch nichts zu tun haben, wie?« Seine Stimme wurde immer lauter; es war ein Glück für die beiden, daß weit und breit kein Mensch zu sehen war. »Ich habe es jetzt satt - am besten, ich werfe den ganzen Krempel hin und fahre mit dem nächsten Schiff zurück.«
»Das werden Sie nicht tun«, erklärte Helder bestimmt.
»Aber ich sage Ihnen, daß ich es tun werde! Mir hängt die Geschichte zum Hals heraus.«
Helder lachte laut und klopfte dem andern auf den Rücken.
»Das paßt ja gar nicht zu Ihnen, Billy! Was sollen denn Ihre Freunde in Chicago von Ihnen denken? Also - seien Sie vernünftig! Denken Sie daran, daß wir bald ganz groß verdienen werden. Zwei Jahre vielleicht noch - und Sie können sich das schöne Lokal in New York kaufen und jeden Sonntag nach Coney Island fahren.«
Aber der Mann ließ sich nicht so leicht beruhigen. Zu Hause in Chicago hätte er sich sicher gefühlt - aber hier, in einem fremden Land, mit einer unangenehm rührigen Polizei …
Erst als Helder ihn in einer stillen, verschwiegenen Bar in Soho zu einigen Gläschen Whisky eingeladen hatte, fand er seine Ruhe und Selbstbeherrschung wieder.
16
Der 15. Mai war ein herrlicher Frühlingstag mit wolkenlosem, zartblauem Himmel. Als die Uhren in der Stadt acht Uhr schlugen, machte Wentworth Gold, wie jeden Morgen, seinen kleinen Spaziergang zu einem Teich im Green Park. In Gedanken beschäftigte er sich noch immer mit dem Brief, den er vergangenen Abend von Comstock Bell erhalten hatte.
Von der andern Seite des Teiches her kam ihm - sicherlich mit Absicht - Cornelius Helder entgegen, der über Golds Gewohnheiten ziemlich genau Bescheid wußte.
»Gut, daß ich Sie treffe, Mr. Gold - ich möchte Sie dringend sprechen.«
Gold seufzte. Er hatte nicht die geringste Lust, sich mit Helder zu unterhalten.
»Was wollen Sie denn von mir?«
»Ich glaube, ich kann Ihnen etwas Wichtiges mitteilen -Willetts wird heute verhaftet!«
»Wer hat Ihnen das gesagt - und was wissen Sie überhaupt von Willetts?« fragte Gold scharf.
»Es tut nichts zur Sache, von wem ich es erfahren habe. Von Willetts aber weiß ich, daß er der Anführer der Bande ist, die Falschgeld in Umlauf bringt. Es sind die gleichen Leute, die Ihren Freund Maple entführt haben.«
»Was Sie nicht sagen!«
Gold schaute Helder mit einem merkwürdigen Blick an. »Die Sache ist doch klar - Willetts wird schon seit längerer Zeit von der Polizei gesucht. Er hat ein Büro in der Stadt, das aber nur dazu dient, seine wirkliche Beschäftigung zu vertuschen.«
»Sie scheinen ja genau Bescheid zu wissen! Kennen Sie ihn denn?«
»Ich kann mich noch recht gut an ihn erinnern. Ich war damals auch in Paris …«
»Haben Sie dort auch Comstock Bell kennengelernt?« »Ja. Bell und Willetts - beide gingen auf die Kunstakademie und arbeiteten im gleichen Atelier. Willetts war auf den ersten Blick ein ruhiger, unscheinbarer junger Mann. In Wirklichkeit aber führte er ein ziemlich unsolides Leben. Als es nach jener Geschichte, die Sie ja kennen, brenzlig wurde, verschwand er aus Paris.«
»Und Sie behaupten, daß er Chef einer Fälscherbande ist?«
»Ich bin völlig sicher, daß er mit einer solchen Bande mindestens zusammenarbeitet. Und ebenso gewiß ist es für mich, daß Bell hinter ihm steht… Apropos Bell - vermutlich spielen Sie heute den Brautführer?«
»Ja, so etwas Ähnliches«, antwortete Gold.
»Was hat eigentlich diese ganze Sache zu bedeuten?«
»Was für eine Sache? Etwa die Trauung?«
»Natürlich, das kam doch schließlich recht unerwartet.«
»Oh, eine Hochzeit kommt oft für irgendwen unerwartet.«
Helder hatte ohne große Schwierigkeiten herausgebracht, daß der Millionär, den er schon lange beobachten ließ, zu heiraten beabsichtigte. Er wußte, daß gleich im Anschluß an die standesamtliche Trauung die kirchliche Zeremonie - um neun Uhr vormittags in der Marylebone Parish Church - stattfinden sollte. Comstock Bell und Verity wollten dann mit Gold im ›Great Central Hotel‹ frühstücken und um elf Uhr London in
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