Die Schule der magischen Tiere, Band 1: Die Schule der magischen Tiere (German Edition)
Henrietta trommelte auf den Parkettboden. Rabbat fing an mit Leonardo Fangen zu spielen. Und Juri watschelte geradewegs hinüber zu Jo und klapperte vergnügt mit seinem schwarzen Schnabel.
Dann passierte etwas Sonderbares.
Jo hatte die Angewohnheit, ab und zu seine silberne Armbanduhr abzunehmen. Auch jetzt lag sie glitzernd und funkelnd auf dem Tisch. Pinkie stürzte herbei. Mit einem atemberaubenden Looping landete sie auf Jos Pult, schnappte sich die Uhr, klemmte sie in ihren Schnabel und flog zum geöffneten Fenster hinaus.
„He, was soll das?“, rief ihr Jo hinterher.
„Was rumliegt, darf man nehmen“, kicherte Pinkie und flatterte weiter. „Altes Elsterngesetz.“
Alle rannten zu den Fenstern. Pinkie flog über den Schulgarten. Die Armbanduhr ließ sie genau in dem Moment fallen, als sie über dem Teich war. Platsch!
Die Klasse lachte schallend. Benni fiel plötzlich ein, was er mal in seinem Tierlexikon gelesen hatte: Elstern liebten alles, was glitzerte. Und ihm und Ida und allen anderen wurde in diesem Moment klar, wer Idas Glitzerohrring geklaut hatte: Das konnte nur Pinkie gewesen sein!
Juri streckte sich in die Höhe und versuchte Jo etwas ins Ohr zu flüstern. Das sah lustig aus, denn der Pinguin musste seinen Kopf schräg halten, sonst hätte er Jo mit seinem Schnabel am Ohr gekratzt.
Danach gingen die beiden nach draußen. Jo vorneweg, sein magisches Tier hinterher.
Alle starrten gebannt aus dem Fenster. So konnten sie beobachten, wie der Pinguin am Schulteich stehen blieb. Mit einem eleganten Kopfsprung hechtete Juri ins Wasser.
„Hab ich es nicht gesagt?“, flüsterte Henrietta Benni zu. „Pinguine tauchen besser als Elche.“ Benni kraulte ihr das Kinn.
Als Jo wenige Augenblicke später zusammen mit Juri zurück ins Klassenzimmer kam, strahlte er über das ganze Gesicht. Seine Armbanduhr hielt er triumphierend in die Luft: „Wasserdicht!“
Wieder mussten alle lachen.
Jo war es, der kurz darauf ein Lied anstimmte. Es klang wie eine Hymne. Jo wollte versuchen, ob man den Schwur, den sie am Anfang des Schuljahrs leisten mussten, auch singen konnte. Er summte probehalber eine Melodie vor, die anderen stimmten mit ein. Ganz laut sangen alle zusammen:
„Niemals, niemals sprechen wir
mit anderen über das magische Tier.
Die magische Zoohandlung ist streng geheim,
so soll es für immer und ewig sein.“
Sogar die magischen Tiere sangen mit, aber das konnten natürlich nur ihre Besitzer und Mr. Morrison hören. Es war, als würde sich die Anspannung der letzten Wochen mit einem Mal auflösen.
Von da an sprach keiner der Schüler aus Miss Cornfields Klasse mehr von der Wintersteinschule. Die Backsteinvilla war für sie zu einer „Schule der magischen Tiere“ geworden. Wer daran zweifelte, musste sich nur umsehen! Rabbat spielte schon wieder Fangen, diesmal mit Pinkie. Leonardo warf Miss Cornfield eine Nuss zu, die Lehrerin warf sie weiter an Mr. Morrison. Ashanti huschte zu Silas, der vergebens versuchte sich mit ihr zu unterhalten. Nur Henrietta wurde der Trubel zu viel. Sie kroch in Bennis Schultasche. Oder spielte sie Verstecken?
Fast jeder im Klassenzimmer wünschte sich an diesem Tag, dass auch er ein magisches Tier bekommen würde. Ein Tier, mit dem man reden, lachen und Abenteuer erleben konnte.
Wer würde wohl der Nächste sein?
Mr. Morrison vergrub seine Zehen im warmen Sand und blickte hinaus aufs Meer. Vor ihm lag der Indische Ozean. Die Insel, auf der er sich befand, lag 340 Kilometer vom afrikanischen Festland entfernt. Vor Millionen von Jahren waren an dieser Küste Tiere auf Baumstämmen angeschwemmt worden. Auf der abgelegenen Insel konnten sie sich ungestört entwickeln und bis heute fanden Forscher hier immer wieder neue, unbekannte Arten. Erst vor kurzem hatten sie eine neue Spinnenart entdeckt, die 25 Meter große Netze bauen konnte.
Aber wo waren sie jetzt, all die Feuchtnasenaffen, Tomatenfrösche, Kattas und Brillenvögel, auf die er sich so gefreut hatte? Allmählich wurde Mr. Morrison ungeduldig.
Ob er einen Tauchgang machen sollte? Meerestiere hatte er noch nicht viele in seiner magischen Zoohandlung. Auf einer Werbetafel hatte er von atemberaubenden Korallenriffen gelesen, von Muscheln, Seesternen und Feuerfischen. Und von Tigerhaien.
Mr. Morrison seufzte. Eigentlich wollte er schon gern wieder lebendig nach Hause kommen.
Plötzlich nahm er aus dem Augenwinkel eine Bewegung wahr.
Was war da? Er drehte den Kopf, ließ seinen Blick über den Sand,
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