Die Schwarze Festung
Gleiterflotte der Moroni das, was von Köln übriggeblieben war, in Trümmer. Und die nachrückenden Bodentruppen überrollten wie eine Lawine das, was dem Feuer der Flugschiffe entgangen sein mochte. Er sah nirgends auch nur das geringste Zeichen von Widerstand. Seit sie wieder hier heraufgekommen waren, hatte Hartmann begriffen, wie gewaltig er sich in der Zahl der Ameisenkrieger verschätzt hatte. Die Armee, die sich in den letzten Tagen rings um die zerstörte Stadt herum zusammengezogen hatte, zählte nicht nach Hunderttausenden, sondern nach Millionen. Wer um alles in der Welt sollte dieses Heer aufhalten? Er wollte etwas erwidern, aber Kyle hob die Hand und schnitt ihm das Wort ab. »Lassen Sie uns nicht noch mehr wertvolle Zeit vergeuden, Herr General.« »Nennen Sie mich nicht so«, sagte Hartmann unfreundlich. »Ich mag das nicht.« Kyle lächelte. »Wie Sie wünschen.« Für einen ganz kurzen Moment glitt auch sein Blick noch einmal über die Monitore; Hartmann hatte das sichere Gefühl, daß er etwas auf den Bildern suchte, es aber nicht fand. Dann drehte er sich mit einem Ruck um, ging um den Schreibtisch herum und beugte sich über das Computerterminal. Seine Finger berührten eine Taste, zögerten, drückten zwei, drei weitere Tasten und zögerten erneut. Ein konzentrierter Ausdruck erschien auf seinem Gesicht. »Was tun Sie da?« fragte Hartmann alarmiert. »Ich fürchte, nichts, was mir weiterhilft«, gestand Kyle. Er schüttelte den Kopf. »Erstaunlich. Ein so primitives System – und doch so effektiv.« Er sah auf, blickte erst Net und dann ganz flüchtig den Wachoffizier an, der an einen Platz neben der Tür zurückgewichen war, und wandte sich dann wieder an Hartmann. »Ich gehe wohl recht in der Annahme, daß man ein bestimmtes Code-Wort braucht, um in das Programm einzudringen.« »Das kann schon sein«, antwortete Hartmann unfreundlich. »Sagen Sie es mir«, verlangte Kyle. Hartmann riß verblüfft die Augen auf. »Sind Sie verrückt?« »Sie verstehen immer noch nicht, Hartmann«, sagte Kyle seufzend, »daß Sie und ich auf derselben Seite stehen; zumindest im Moment. Glauben Sie mir«, er deutete auf den Computer, »es wäre völlig sinnlos, diese Raketen starten zu wollen. Selbst wenn noch genügend Zeit wäre, sie würden ihr Ziel niemals erreichen. Glauben Sie denn, es wäre so einfach?« Er schüttelte den Kopf und beantwortete seine Frage selbst. »Ganz bestimmt nicht. Und Sie wissen das auch. Sie sind Soldat, Hartmann. Ein guter Soldat. Sie wissen so gut wie ich, daß eine Macht, die eine Million Jahre Erfahrung im Kampf hat, nicht so leicht zu besiegen ist. Sie glauben wirklich, ihr Hauptquartier läge schutzlos da? Nur darauf wartend, von irgend jemandem zerstört zu werden?« Hartmann antwortete nicht. Nein, er glaubte es nicht. Keiner von ihnen hatte es wirklich geglaubt. Sie alle hatten geahnt, daß ihr verzweifelter Plan einen bisher unerkannten, aber entscheidenden Fehler haben mußte. Aber es war der einzige Plan gewesen, den sie hatten. »Die Idee stammt von Stone«, sagte er und kam sich dabei selbst wie ein störrisches Kind vor. »Stone«, antwortete Kyle ruhig und sehr ernst, »ist Ihr Sklave. Nicht mehr als ein williges Werkzeug.« Er wandte sich wieder um und deutete abermals auf den Computer auf Hartmanns Schreibtisch. »Es gibt drei Möglichkeiten, Hartmann«, sagt er. »Die eine ist, ich zerstöre dieses Gerät. Aber das möchte ich nicht, denn es ist sehr wertvoll, und es kann sein, daß wir es noch brauchen. Die zweite ist, ich tue nichts und lasse Sie zusehen, wie die Herren der Schwarzen Festung zuerst Ihre Raketen, einen Augenblick später die Startrampen und dann diese ganze Bunkerfestung vernichten. Aber das möchte ich noch sehr viel weniger, denn dabei würden nur sinnlose Leben geopfert werden, und auch diese Station ist ungeheuer wertvoll und darf nicht zerstört werden.« »Und was ist die dritte Möglichkeit?« fragte Hartmann, als Kyle nicht weitersprach, sondern ihn nur auffordernd anblickte. In Kyles Gesicht trat eine sonderbare Bewegung. Für einen Moment verwandelte sich die linke Gesichtshälfte, wurde zu einem Gewirr angeschwollener, weißer, pumpender Adern, die dicht unter der Haut wie mißgestaltete Würmer aufeinander zukrochen. Sein Unterkiefer verschob sich, und für einen Moment glaubte Hartmann, anstelle des Auges ein faustgroßes, schimmerndes Facetten-Ding zu sehen. Dann verschwand der unheimliche Anblick
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