Die schwarzen Juwelen 05 - Finsternis
Oberfläche zu bahnen versuchten. Sie sollte nicht in den Besitz seiner Erinnerungen an seine jüngeren Brüder, seine Tanten und Onkel, seine Cousins und seinen Vater gelangen. Seine Mutter. Nein, er wollte nicht, dass sie seine Erinnerungen an Reyna erhielt, vor allem nicht die letzte Erinnerung an sie, wie sie dastand und ihr Herz blutete wegen der brutalen Worte, die er ihr an den Kopf geworfen hatte.
Die grauen Augen blickten weiter in die seinen, doch ihre Finger glitten seinen zitternden Körper entlang, strichen über das Haar an seinen Lenden und beschrieben sanft einen Kreis. Schließlich umkreisten sie den Ring des Gehorsams. Der enge goldene Reif erweiterte sich, bis Jared ihn nicht mehr spüren konnte.
Sie drehte sich leicht zur Seite und machte eine Bewegung mit der rechten Hand auf den hölzernen Tisch zu, der mitten im Raum stand. Das überraschte Aufkeuchen der Wächter übertönte nicht ganz das andere Geräusch – es klang wie eine schwere Münze, die sich drehte, wie der Reifen eines Kindes, der an Geschwindigkeit einbüßt, während er kreiselt, und immer tiefer sinkt, bis er ganz auf dem Boden zu liegen kommt.
»Lady!«
Der entsetzte Ausruf hatte etwas zu bedeuten, doch Jared fühlte sich zu leer, um reagieren zu können. Sein Körper tat so weh, dass er noch nicht einmal die fortwährenden Qualen spüren konnte, die vom Ring des Gehorsams ausgingen – die Pein, die einen Mann nie vergessen ließ, welche Schmerzen ihm jederzeit drohten.
»Beim Feuer der Hölle, Lady. Leg ihm einen Ring an!«
Die mentalen Signaturen der Männer in dem Raum stanken förmlich nach Angst.
Jared runzelte die Stirn. Er wünschte, seine Gedanken wären nicht derart verschwommen. Ihm einen Ring anlegen?
Langsam wurde ihm klar, dass auf dem Tisch keine schwere Münze lag, sondern der Ring des Gehorsams. Der Ring, den er die letzten neun Jahre getragen hatte.
Bevor er auch nur versuchen konnte, seine geistige Lethargie und körperliche Schwäche abzuschütteln, um zu begreifen, was dies alles zu bedeuten hatte, legten sich Grizelles Finger erneut um sein Geschlecht und drückten leicht zu. Er keuchte auf, als Schmerzen seine Nervenbahnen entlangjagten.
Lichtblitze schossen aus ihren Fingern und blendeten ihn. Donnergrollen ließ das Gebäude beben. Das unverwechselbare Gefühl von Macht erfüllte das Zimmer.
Grizelle trat zurück und betrachtete gelassen die nervösen Wächter, ihren schockierten Begleiter und den schwitzenden Auktionator, der verzweifelt die Hände rang. »Ihr habt nichts zu befürchten«, sagte sie. »Er trägt jetzt meinen Ring.«
Der Auktionator deutete mit einem zitternden Finger auf Jareds Lende. »A-aber, Lady, da ist kein Ring.«
»Ach«, sagte Grizelle. Es lagen so viele Nuancen in der einen Silbe, so viel Eis in ihrem gelassenen Lächeln. »Doch, da ist einer. Er trägt den Unsichtbaren Ring.«
Jareds Herz hämmerte in seiner Brust. Der Unsichtbare Ring?
Schemenhaft geisterte eine Erinnerung durch seinen Verstand, doch er bekam sie nicht zu fassen.
Der Auktionator kaute an seiner Unterlippe. »Von so einem Ring habe ich noch nie etwas gehört.«
Jared schon. Doch was? Und wo?
»Die Hexen in meiner Familie benutzen ihn seit Generationen«, erklärte Grizelle. Sie deutete auf den Ring des Gehorsams, der auf dem Tisch lag. »Er ist zehnmal mächtiger als dieses kleine Spielzeug.« Dann hielt sie inne. »Bedarf es einer weiteren Demonstration?«
Die Männer versicherten ihr rasch, dass dies nicht nötig sei.
Jared schloss die Augen. Beim Feuer der Hölle und der Mutter der Nacht, möge die Dunkelheit Erbarmen haben! Zehnmal mächtiger! Zehnmal schmerzvoller. Wie sollte er das nur überleben?
Gar nicht.
Niemand überlebte es, Grizelle zu gehören. Und jetzt wusste er auch, warum.
Er ließ seinen Gedanken wieder freien Lauf. Es war ihm völlig gleichgültig, was sich sonst noch in dem Zimmer ereignete. Weitere sinnlose Laute, die ihn nur dumpf an Worte erinnerten. Weibliche Wut, die sich wie ein heftiger Sturm am Horizont zusammenbraute. Gewinsel. Hände, die ihn von den Pfählen losbanden und ihn in ein anderes Zimmer führten. Er blieb dort stehen, wo man ihn hingeführt hatte. Teilnahmslos.
Zehnmal mächtiger, und er konnte den Ring noch nicht einmal spüren. Vielleicht war er betäubt von zu starken Schmerzen. Vielleicht war der Ring zu raffiniert und hintergründig,
als dass Jared ihn nach den Qualen der letzten Tage hätte spüren können.
Wenn er sich bloß daran
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