Die schwarzen Juwelen 05 - Finsternis
sich da zwar nicht sicher, ja er war sich noch nicht einmal sicher, ob er noch viel länger aufrecht stehen können würde, da er auf dem besten Wege war, die Grenzen seiner körperlichen Belastbarkeit zu erreichen. Kühnes Draufgängertum war ein zerbrechlicher Schutzschild, doch im Augenblick war es alles, was er hatte. »Ich kann das selbst machen«, wiederholte er.
»Halt den Mund«, fuhr der Wächter ihn an, während er rasch die Salbe auftrug.
Jared musterte das verbissene Gesicht, die Schatten in den Augen, die seinen Blick mieden. Der Begleiter war ein Krieger mit purpurnem Juwel. Wie wurde er damit fertig, die geschundenen, nackten Körper seiner Brüder zu sehen? Wie konnte er damit leben, diejenigen anzusehen, die verstümmelt, gebrochen oder rasiert worden waren? Ging er zu einer Geliebten oder einer Ehefrau nach Hause, für die er so etwas wie Zuneigung empfand? Hatte er Kinder, die er umarmte, mit denen er spielte und die er liebte? Oder hatte er sich eines Tages auf dem Sklavenmarkt eine Hexe ersteigert, eine, die bereits gebrochen und unfruchtbar war, und die er bestieg, ohne sich im Geringsten um ihre Gefühle oder ihr Wohlergehen zu kümmern? Was dachte er über die Männer, die hier ersteigert und verkauft wurden? Hatte er jemals aufgeblickt und einen Mann auf der Auktionsbühne gesehen, den er einst seinen Freund genannt hatte?
Ach, die Schatten in den Augen! Die Sorge, jemanden wie die Graue Lady auf den Sklavenmarkt begleiten zu müssen. Sieh genau hin, dachte Jared, als der Mann mit dem Auftragen der Salbe fertig war und von ihm wegtrat. Sieh dir den Preis an, den du vielleicht eines Tages für ein einziges Fehlurteil wirst zahlen müssen.
Als hätte Jared seine Gedanken einen mentalen Speerfaden entlanggeschickt, blickte der Wächter ihm in die Augen. Für einige Augenblicke herrschte angespanntes Schweigen. »Du bist nichts weiter als ein süßer Mund und ein Schwanz, mit dem die Ladys sich vergnügen können«, knurrte der Begleiter.
Jared verzog die Lippen zu einem grimmigen Lächeln. »Ich bin ein Krieger mit rotem Juwel aus Shalador. Ich bin stärker, als du es je sein wirst, und kann Kräfte freisetzen, von denen du nur träumen kannst. Und ich bin immer noch hier.«
Die Kinnpartie des Wächters verspannte sich. Sein Atem ging stoßweise. »Zieh dich an. Dein Schwanz ist ab jetzt nur noch für Privatvorführungen gedacht.«
Die Kleidungsstücke lagen auf einer grob geschnitzten Bank neben dem kleinen Tisch, auf dem die Waschschüssel stand. Jared zwang sich, den Blick von der Schüssel mit dem schmutzigen Wasser abzuwenden, doch nicht schnell genug.
Schadenfreude funkelte in den Augen des Wächters, als er die Schüssel mithilfe der Kunst verschwinden ließ. »Du magst ein rotes Juwel tragen, aber du bist und bleibst ein Sklave und trägst immer noch einen Ring. Ich habe vielleicht keine Ahnung von der Macht, die dir zur Verfügung stand, als du noch frei damit umgehen konntest, aber ich verlasse den Markt als freier Mann, trinke einen kühlen Schluck Wasser, wann immer mir danach ist, und werde mir einen Humpen Ale genehmigen, sobald ich die Graue Lady sicher zu einer Kutsche gebracht habe. Und heute Abend besteige ich eine Frau, wie es einem Mann zusteht. Und du? Du wärst auf dem Bauch vor mir gekrochen und
hättest die Sohlen meiner Stiefel geleckt für einen Schluck Schmutzwasser.«
»Das leugne ich nicht«, erwiderte Jared. »Aber du, frei? Im Moment vielleicht. Der einzige Unterschied zwischen Dienst und Sklaverei ist ein goldener Ring. Wenn Rot angekettet werden kann, wie lange wird Purpur dann noch frei sein? Wenn morgen die richtige Summe Goldmünzen ihre Besitzerin wechselte, wie lange würde es dann deiner Meinung nach dauern, bis aus einem gut aussehenden Begleiter ein gut aussehender Sklave wird?«
Das Gesicht des Begleiters überzog sich mit dunkler Röte. Er hob eine Faust.
Jared sagte kein Wort und regte sich nicht. Er warf lediglich einen Blick in Richtung der Tür, die in den Korridor führte, und lächelte wissend. Dann beobachtete er, wie der Wächter seine widersprüchlichen Gefühle zu verbergen suchte. Es war dem Mann genau anzusehen, in welchem Augenblick er zu dem Schluss kam, dass er eine »Disziplinierung« des Sklaven nicht rechtfertigen können würde.
Er ließ die Faust wieder sinken und spuckte Worte aus, als handele es sich um zähen Knorpel: »In fünf Minuten lege ich dir Ketten an und bringe dich von hier weg.« Er riss die Tür zum
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