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Die Schweigende Welt Des Nicholas Quinn

Die Schweigende Welt Des Nicholas Quinn

Titel: Die Schweigende Welt Des Nicholas Quinn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Dexter
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er gedacht hatte. Bisher allerdings war alles erstaunlich gut gelaufen.
    Wie die anderen lehnte er sich zurück und studierte die verwirrende Vielfalt der Möglichkeiten auf der Speisekarte. Teuer war fast alles, aber, wie er von seinen beiden früheren Besuchen wußte, gut zubereitet und appetitlich angerichtet. Hoffentlich wählten die anderen nicht etwas zu Ausgefallenes. Bartlett hatte nach dem letzten Gelage diskret darauf hingewiesen, daß die Rechnung vielleicht eine Spur zu hoch gewesen sei. Die Tagessuppe und danach Schinken mit Ananas, überlegte er, das würde wohl selbst bei den derzeitigen angespannten Verhältnissen den Verband nicht überstrapazieren. Und einen Schluck Rotwein durfte man sich auch noch leisten. Ein anderer Wein stand ohnehin nicht zur Diskussion, das wußte er inzwischen. In Oxford wurde ständig Rotwein getrunken – sogar zur Seezunge.
    »Noch Zeit für eine zweite Runde, wie?« Cedric Voss, Vorsitzender der Historiker, schob sein leeres Glas über den Tisch. »Austrinken, Leute. Wir brauchen eine Stärkung für heute nachmittag.«
    Quinn griff sich brav die Gläser und ging zur Bar hinüber, wo soeben eine Gruppe gutbetuchter Geschäftsleute eingefallen war. Daß er fünf Minuten warten mußte, trug nicht dazu bei, den vagen Groll zu beschwichtigen, der sich in ihm regte.
    Als er an den Tisch zurückkam, war der Ober gerade dabei, die Bestellungen aufzunehmen. Nachdem Voss aus ihm herausgefragt hatte, daß die Kirschen aus der Dose und die Erbsen aus der Tiefkühltruhe stammten und das Steak vom Wochenende war, nahm er von seiner ursprünglichen Wahl Abstand und entschied sich für Schnecken und Hummer, und Quinn zuckte innerlich zusammen, als er die Preise sah. Sie machten das Dreifache seiner bescheidenen Bestellung aus. Er hatte sich bewußt keinen zweiten Drink geholt (obgleich er mit dem größten Vergnügen noch drei oder vier gekippt hätte). Ziemlich unglücklich setzte er sich wieder hin und besah sich die große Luftaufnahme des Stadtkerns von Oxford, die an der Wand hing. Eigentlich recht eindrucksvoll. Die Komplexe von Brasenose und Queen’s und …
    »Trinken Sie nichts, Nicholas, alter Junge?« Es war das erste Mal, daß Voss ihn mit Vornamen anredete, und der Groll verflüchtigte sich schlagartig.
    »Nein, ich –«
    »Hat der alte Bartlett mal wieder über die Kosten gejammert? Das können Sie vergessen. Was glauben Sie, was es den Verband gekostet hat, ihn letztes Jahr in die Ölstaaten zu schicken? Einen ganzen Monat. Allein die Bauchtänzerinnen …«
    »Wein zum Essen, Sir?«
    Quinn reichte die Weinkarte an Voss weiter, der sie mit professioneller Gier studierte. »Sind alle für Rot?« Es war mehr eine Feststellung als eine Frage. »Das ist ein guter Tropfen, alter Junge.« Er deutete mit seinem Wurstfinger auf einen der Burgunder. »Feiner Jahrgang.«
    Quinn stellte fest (aber er hätte es ohnehin gewußt), daß es der teuerste Wein auf der Karte war, und bestellte eine Flasche.
    »Mit einer werden wir nicht weit kommen … Schließlich sind wir zu fünft …«
    »Anderthalb also?«
    »Nein, mein Junge. Zwei. Oder was meinen Sie, meine Herren?«
    Die anderen nahmen die Anregung nur zu gern auf.
    »Zweimal die Nummer fünf«, bestellte Quinn ergeben. Der Groll begann wieder zu nagen.
    »Und machen Sie bitte beide gleich auf«, ergänzte Voss.
     
    Im Restaurant setzte sich Quinn an die linke Ecke. Rechts neben sich hatte er Voss, zwei Mitglieder der Gruppe direkt gegenüber, den fünften am Kopf der Tafel. Diese Sitzordnung hatte sich als besonders günstig erwiesen. Zwar konnte er die Lippen von Voss kaum beobachten, aber aus dieser geringen Entfernung konnte er ihn noch verstehen. Die anderen sah er deutlich. Auch Lippenlesen hatte seine Grenzen, es nutzte ihm wenig, wenn jemand beim Sprechen nicht den Mund aufmachte oder die Hand vor die Lippen hielt, und wenn der Sprecher einem den Rücken zuwandte oder das Licht ausging, war sowieso alle Liebesmüh vergebens. Aber normalerweise war es ganz erstaunlich, was man mit dieser Fertigkeit anfangen konnte. Quinn hatte vor sechs Jahren damit begonnen und überrascht festgestellt, wie leicht es ihm fiel. Er mußte wohl eine seltene Begabung dafür haben. Er war so viel weiter als die anderen im ersten Kurs, daß sein Lehrer schon nach zwei Wochen meinte, er sei wohl im zweiten Kurs besser aufgehoben, und auch da war er der Beste gewesen. Er konnte sich dieses Talent selbst nicht erklären. So, wie es Zeitgenossen

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