Die Schweigende Welt Des Nicholas Quinn
steuerbares zweifarbiges Signallämpchen angebracht, wie man es in Krankenhäusern hat. Der erste Schalter ließ ein rotes Licht aufleuchten und signalisierte, daß Bartlett eine Besprechung hatte und nicht gestört werden wollte. Der zweite Schalter aktivierte ein grünes Licht und bedeutete dem Einlaßbegehrenden, er möge klopfen und nähertreten. Wenn niemand die Schalter betätigte, brannte auch kein Licht, und man durfte folgern, daß das Büro nicht besetzt war. Seit Antritt seiner Stellung als Geschäftsführer des Verbandes für Auslandsprüfungen bestand Bartlett energisch darauf, daß jeder, der eine wichtige Angelegenheit mit ihm zu besprechen wünschte, gefälligst selbst für einen ungestörten und vertraulichen Ablauf des Gesprächs Sorge zu tragen habe. Seine Mitarbeiter akzeptierten diese Regelung und hielten sich in den meisten Fällen auch daran. Falls doch einmal – was selten vorkam – gegen diese Regel verstoßen wurde, ließ Bartlett eine für ihn ganz untypische Verärgerung erkennen.
Als er jetzt sein Zimmer betrat, schaltete er das rote Licht ein, öffnete ein Schränkchen und schenkte sich einen Gin mit trockenem Vermouth ein. Dann setzte er sich an den Schreibtisch und holte eine Schachtel Zigaretten heraus. In Sitzungen rauchte er nie, jetzt aber zündete er sich eine Zigarette an, inhalierte tief und konsumierte gemächlich seinen Drink. Er würde morgen früh Quinn ein Telegramm schicken, jetzt war es dafür schon zu spät. Er griff noch einmal nach seiner Akte und las die Angaben über Quinn nach. Kein Zweifel, sie hatten sich für den Falschen entschieden. Und daran war nur Roope schuld, dieser verdammte Idiot.
Er räumte seine Papiere weg, schaffte Ordnung auf dem Schreibtisch und lehnte sich in seinem Sessel zurück. Um seine Lippen lag ein leises, eigentümliches Lächeln.
Warum?
1
Während die anderen vier sich in die Halle des Cherwell Motels setzten, ging er zur Bar und bestellte den Aperitif: Zwei Gin-and-Tonics, zwei halbtrockene Sherries und einen trockenen Sherry. Letzteren hatte er für sich geordert. Er liebte trockenen Sherry.
»Schreiben Sie es auf die Rechnung des Verbandes für Auslandsprüfungen bitte. Wir wollen hier essen. Bitte sagen Sie dem Ober Bescheid, wir sitzen da drüben.« Sein nordenglischer Akzent schlug noch durch, allerdings nicht mehr so merklich wie früher.
»Hatten Sie einen Tisch bestellt, Sir?«
Das »Sir« tat ihm gut. »Ja. Auf den Namen Quinn.« Er griff sich eine Handvoll Erdnüsse und das Tablett mit den Gläsern und setzte sich zu den anderen Historikern.
Es war seine dritte Sitzung seit Antritt seiner Stellung, weitere würden folgen. Er machte es sich in dem niedrigen Ledersessel bequem, trank sein Glas auf einen Zug halb leer und sah auf den lebhaften Mittagsverkehr hinaus, der über die Autobahn rollte. So ließ es sich leben. Ein gutes Essen, Wein, Kaffee – und dann zurück in die Beratungen. Wenn er Glück hatte, war um fünf Schluß, vielleicht schon früher. Die Vormittagssitzung war konzentriert und anstrengend gewesen, aber sie waren gut vorangekommen. Die Prüfungsbögen über die Zeiträume von den Kreuzzügen bis zum englischen Bürgerkrieg standen. In dieser Form würden sie im Sommer den Kandidaten für den Mittelschulabschluß im Fach Geschichte vorgelegt werden. Es fehlte nur noch die Fortsetzung – von den Hannoveranern bis zum Versailler Vertrag –, und in moderner Geschichte kannte er sich sehr viel besser aus. In der Schule war Geschichte sein Lieblingsfach gewesen, und seinen Leistungen auf diesem Gebiet verdankte er auch sein Stipendium für Cambridge. Doch nach der Vorprüfung war er auf Englisch umgestiegen, und an der Priestley Grammar School in Bradford, nur einige zwanzig Meilen von seinem Heimatdorf in Yorkshire entfernt, war er als Englischlehrer eingestellt worden. Rückblickend begriff er, was für ein Glücksfall es gewesen war, daß er auf Englisch umgesattelt hatte. In der Stellenausschreibung waren Lehrerfahrung in Geschichte und Englisch zur Bedingung gemacht worden, und er hatte sich durchaus eine Chance ausgerechnet. Daß er den Posten tatsächlich bekommen hatte, konnte er allerdings noch immer nicht so ganz fassen. Nicht, daß seine Schwerhörigkeit …
»Die Speisekarte, Sir.«
Quinn hatte den Ober nicht kommen hören, er bemerkte ihn erst, als sich die ausladende Karte in sein Gesichtsfeld schob. Ja, vielleicht war seine Schwerhörigkeit doch ein größeres Handicap, als
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