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Die Schweigende Welt Des Nicholas Quinn

Die Schweigende Welt Des Nicholas Quinn

Titel: Die Schweigende Welt Des Nicholas Quinn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Dexter
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drei oder vier Plätze entfernt …«
    Bartlett geriet in Schwung und brachte sein Argument vor, ohne unterbrochen zu werden. Er wußte, daß er wieder festeren Boden unter den Füßen hatte. Auch bei ihm machte sich neuerdings eine leichte Schwerhörigkeit bemerkbar.
    »Aber es dürfte die menschliche Intelligenz nicht überfordern, die Sitzordnung so zu gestalten, daß –«
    »Natürlich nicht«, fuhr Bartlett dazwischen. »Und es dürfte die menschliche Intelligenz ebenfalls nicht überfordern, eine Batterie von Kopfhörern und Mikros und Gott weiß was aufzustellen, und notfalls können wir ja alle die Taubstummensprache lernen.«
    Es wurde immer deutlicher, daß zwischen den beiden eine schwelende, seltsam persönlich gefärbte Antipathie bestand, was die älteren Kollegen sich alle nicht so recht erklären konnten. Bartlett hatte normalerweise ein geradezu bewundernswert ausgeglichenes Temperament. Und er war noch nicht fertig. »Sie haben alle den Bericht der Klinik gelesen. Sie haben die Audiogramme gesehen. Es steht fest, daß Quinn sehr schwerhörig ist. Sehr schwerhörig.«
    »Uns hat er offenbar alle hervorragend verstanden.« Roope sprach so leise, daß seine Worte Quinn, wäre er dabeigewesen, höchstwahrscheinlich entgangen wären. Aber den Anwesenden entgingen sie nicht, und es war klar, daß Roope einen Punkt für sich hatte verbuchen können. Einen dicken Punkt.
    Der Präsident wandte sich wieder an den Geschäftsführer. »Hm. Eigentlich wirklich erstaunlich, daß er uns so gut verstanden hat, nicht?«
    Eine Weile wurde planlos hin- und hergeredet, das Gespräch entfernte sich zunehmend von der noch immer ausstehenden Entscheidung. Mrs. Seth, die Vorsitzende des Chemie-Ausschusses, dachte an ihren Vater. Er hatte mit Ende Vierzig, als sie noch zur Schule ging, sehr rasch sein Gehör verloren und war entlassen worden. Arbeitslosengeld und eine dürftige Behindertenrente von der Firma – gewiß, sie hatten versucht, seiner Lage Rechnung zu tragen, fair zu sein. Aber er war ein so klarer, logischer Denker gewesen. Und er hatte nie wieder eine Stellung gefunden. Sein Selbstvertrauen war unwiederbringlich dahin. Dabei hätte er bei sehr vielen Posten seine Sache besser gemacht als die meisten dieser schlappen Typen, die den Hintern auf einem Bürostuhl wetzten. Tiefer Kummer und heftiger Zorn ergriffen sie bei dem Gedanken an ihn.
    Plötzlich merkte sie, daß abgestimmt wurde. Fünf Hände hoben sich fast unverzüglich für Fielding. Mrs. Seth fand, wie der Geschäftsführer, daß er wohl der beste Kandidat war. Sie würde auch für ihn stimmen. Aber merkwürdigerweise blieb ihre Hand auf der Schreibunterlage liegen.
    »Und wer ist für Quinn?«
    Drei der Anwesenden, einschließlich Roope, meldeten sich, ein vierter … Der Präsident zählte, links beginnend: »Eins, zwei, drei … vier …« Da kam die nächste Hand, und er fing noch einmal von vorn an. »Eins, zwei, drei, vier, fünf … Es sieht aus …« Und dann ging langsam und dramatisch Mrs. Seths Hand nach oben.
    »Sechs. Nun gut, Sie haben entschieden, meine Damen und Herren. Quinn wird den Posten bekommen. Das Stimmenverhältnis ist knapp, sechs zu fünf, aber am Ausgang der Abstimmung ist nicht zu tippen.« Er wandte sich ziemlich befangen nach links.
    »Sind Sie zufrieden, Dr. Bartlett?«
    »Sagen wir so: Jeder hat seine eigenen Ansichten, und meine Ansichten decken sich nicht mit denen der Auswahlkommission. Aber sie hat, wie Sie ganz richtig sagen, ihre Entscheidung getroffen, und ich muß sie akzeptieren.«
    Roope lehnte sich zurück und sah wieder unbestimmt zur Decke hoch, den gelben Bleistift zwischen den Zähnen. Mochte er sich auch innerlich an seinem kleinen Triumph weiden – seine Miene blieb unbewegt, wirkte fast distanziert.
    Zehn Minuten später gingen der Präsident und der Geschäftsführer nebeneinander die Treppe hinunter, die zum Erdgeschoß und zu Bartletts Büro führte. »Glauben Sie wirklich, daß wir einen schwerwiegenden Fehler gemacht haben, Tom?«
    Bartlett blieb stehen und sah zu dem hochgewachsenen, grauhaarigen Theologen hoch. »Ja, Felix, das haben wir. Leider.«
    Roope schob sich an ihnen vorbei. »Wiedersehen«, brabbelte er unbestimmt.
    »Äh – guten Abend«, sagte der Präsident, während Bartlett ziemlich betont schwieg und Roope nachsah, bis er verschwunden war. Erst dann ging er die letzten Stufen hinunter und betrat sein Büro.
    Oberhalb der Tür war ein über zwei Schalter auf seinem Schreibtisch

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