Die See des Schicksaals
Staub der Ruinen vermengte. Er ging quer über den Platz zu der Stelle, an der der Leichnam Herzog Avans verkrümmt auf dem Boden lag, und sank daneben auf die Knie.
»Du warst gewarnt, Herzog Avan Astran aus Alt-Hrolmar, daß es allen schlimm ergeht, die ihr Geschick mit dem Elrics von Melnibone verknüpfen. Du aber warst anderer Ansicht. Jetzt weißt du es genauer.« Seufzend stand er wieder auf.
Smiorgan stand neben ihm. Die Sonnenstrahlen berührten bereits die Oberkanten der Ruinen. Smiorgan hob die Hand und packte seinen Freund an der Schulter.
»Die Olab sind fort. Ich glaube, sie haben für eine Weile genug von der Zauberei.«
»Zwei unschuldige Menschen sind von mir unwillentlich vernichtet worden, Smiorgan. Soll ich denn immer an dieses verfluchte Schwert gefesselt sein? Ich muß einen Weg finden, mich davon zu befreien, sonst wird mich mein Gewissen niederdrücken, bis ich mich überhaupt nicht mehr rühren kann.«
Smiorgan räusperte sich, sagte aber nichts.
»Ich bette Herzog Avan und seinen Getreuen zur Ruhe«, sagte Elric. »Geh zum Schiff und sag den Männern, daß wir kommen.«
Smiorgan entfernte sich in östlicher Richtung über den Platz.
Mit vorsichtigen Bewegungen nahm Elric den toten Herzog Avan auf und ging zur entgegengesetzten Seite des Platzes, zu dem unterirdischen Raum, in dem das Wesen, das zum Leben verurteilt war, zehntausend Jahre lang gehaust hatte.
Die Ereignisse kamen Elric bereits sehr unwirklich vor, doch wußte er, daß er nicht geträumt hatte, denn der Jademann war fort. Seine Spuren waren im Dschungel deutlich auszumachen. Ganze Baumgruppen waren zu Boden gestampft worden.
Er erreichte den Eingang, schritt die Stufen hinab und legte Herzog Avan auf das Bett aus trockenem Gras. Dann nahm er den Dolch des Herzogs, tauchte ihn in das Blut des Toten - andere Tinte stand ihm nicht zur Verfügung - und schrieb über dem Toten an die Wand:
Dies war Herzog Avan Astran aus Alt-Hrolmar. Er erforschte die Welt und brachte viele Erkenntnisse und Schätze heim nach Vilmir. Er träumte und verlor sich im Traum eines anderen und starb daran. Er bereicherte die Jungen Königreiche -und unterstützte damit einen anderen Traum. Er starb, damit dem Wesen, das zum Leben verurteilt war, sein sehnlichster Wunsch erfüllt wurde: sterben zu können.
Elric hielt inne. Dann schleuderte er den Dolch angewidert zu Boden. Er konnte seine Schuldgefühle nicht beseitigen, indem er für den Mann, den er getötet hatte, einen pathetischen Nachruf verfaßte.
Schweratmend stand er eine Zeitlang vor dem Toten, dann griff er noch einmal nach der Klinge.
Er starb, weil Elric von Melnibone sich einen Frieden und ein Wissen erhoffte, die nicht zu finden waren. Er starb durch das Schwarze Schwert.
Draußen, in der Mittagssonne mitten auf dem Platz, lag noch immer einsam der vilmirische Seemann, der als letzter gestorben war. Niemand hatte seinen Namen gewußt. Niemand betrauerte ihn oder versuchte einen Nachruf auf ihn zu verfassen. Der Vilmirier war für kein hohes Ziel gestorben, war keinem großartigen Traum nachgelaufen. Selbst im Tode würde sein Körper keine Funktion erfüllen. Auf dieser Insel gab es keine Raubvögel. In der Ruinenstadt gab es keinen Boden zu düngen.
Elric kehrte auf den Platz zurück und betrachtete den Toten. Eine Sekunde lang symbolisierte der Körper für Elric die Sinnlosigkeit alles dessen, was hier geschehen war und noch geschehen würde.
»Es gibt kein Ziel«, murmelte er.
Vielleicht hatten seine Vorfahren dies durchaus erkannt, ohne sich allerdings groß darum zu kümmern. Der Jademann hatte kommen müssen, um es ihnen zu Bewußtsein zu bringen und sie in ihrer Pein in den Wahnsinn zu treiben. Die Erkenntnis hatte sie dazu gebracht, ihren Verstand vor vielen Dingen zu verschließen.
»Elric!«
Smiorgan kehrte zurück. Elric hob den Kopf.
»Die Olab haben das Schiff vernichtet, und die Besatzung niedergemacht, ehe sie uns verfolgten. Alle sind tot. Das Schiff ist völlig zerstört.«
Elric dachte an das Wesen, das zum Leben verurteilt war. »Es gibt ein anderes Boot«, sagte er. »Am Ostufer der Insel.«
Sie brauchten den ganzen Tag und die ganze Nacht, bis sie das Versteck fanden, das J'osui C'reln Reyr für sein Boot gewählt hatte. Im weichen Licht des Morgens zogen sie das Boot zum Wasser hinab und betrachteten es.
»Ein solides Boot«, stellte Graf Smiorgan fest. »Scheint aus demselben seltsamen Material zu bestehen, das wir in der Bibliothek von R'lin
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