Die Seele des Feuers - 10
gerade nicht reisen, schickt Richard sie schlafen, indem er seine Armbänder aneinanderlegt – an den auf ihnen befindlichen Huldigungen –, und dann vereint sie sich wieder mit ihrer Seele in der Unterwelt.«
Anns Gesicht war aschfahl geworden. »Zedd, ich habe dich gewarnt. Wir dürfen einfach nicht zulassen, daß er allein herumläuft. Er ist zu wichtig. Am Ende läßt er zu, daß ihn irgend jemand umbringt.«
Zedd sah aus, als könnte er jeden Augenblick in die Luft gehen. »Du hast die Huldigungen auf den Armbändern benutzt? Verdammt, Richard, du hast ja keine Ahnung, was du damit anrichten kannst! Du spielst mit dem Schleier, wenn du das tust!«
Richard, mit seinen Gedanken woanders, schnippte mit den Fingern und deutete auf die dicken Scheite unter der Bank. Ungeduldig wedelte er mit der Hand, bis Zedd ihm stirnrunzelnd einen der dicken Zweige reichte. Richard brach ihn über dem Knie entzwei, während er das Fenster im Auge behielt.
Im grellen Licht des nächsten Blitzes sah Kahlan die Umrisse eines Huhns, das hinter dem Tuch auf dem Fensterbrett hockte. Als der Blitz zuckte und der Donner krachte, bewegte sich der Schatten des Huhns in eine Fensterecke.
Richard warf den Stock.
Er traf den Vogel mitten auf die Brust; mit heftig schlagenden Flügeln und einem erschrockenen Schrei stürzte er rücklings aus dem Fenster.
»Richard!« Kahlan packte ihn am Ärmel. »Warum tust du so etwas? Das Huhn hat niemandem was getan. Das arme Tier wollte sich doch bloß vor dem Regen schützen.«
Auch das schien er nicht zu hören. Er wandte sich an Ann. »Du hast mit ihm zusammen in der Alten Welt gelebt. Wieviel weißt du über den Traumwandler?«
»Nun, vermutlich eine ganze Menge«, stammelte sie überrascht.
»Du weißt, daß Jagang in den Verstand von Menschen eindringen, zwischen ihre Gedanken schlüpfen und sich dort einnisten kann, sogar ohne deren Wissen?«
»Selbstverständlich.« Sie wirkte fast empört angesichts einer so grundlegenden Frage über den Feind, gegen den sie kämpften. »Du bist jedoch geschützt, sowie all jene, die dir über die Bande verpflichtet sind. Der Traumwandler kann in den Verstand keines Menschen eindringen, der Lord Rahl ergeben ist. Den Grund dafür kennen wir nicht, wir wissen nur, daß es so ist.«
Richard nickte. »Alric. Er ist der Grund.«
Zedd zwinkerte verwirrt mit den Augen. »Wer?«
»Alric Rahl, einer meiner Vorfahren. Ich habe gelesen, die Traumwandler seien eine vor dreitausend Jahren im Großen Krieg ersonnene Waffe. Alric Rahl schuf einen Bann – die Bande –, um auf diese Weise sein Volk oder jeden, der einen Eid auf ihn geleistet hatte, vor diesen Traumwandlern zu schützen. Die Schutzmacht der Bande vererbt sich auf jeden Rahl, der die Gabe besitzt.«
Zedd öffnete den Mund und wollte eine Frage stellen, Richard wandte sich jedoch dessen ungeachtet an Ann. »Jagang drang in den Verstand eines Zauberers ein und sandte ihn aus, um Kahlan und mich zu töten – er hatte die Absicht, ihn als Meuchelmörder zu benutzen.«
»Einen Zauberer?« Ann runzelte die Stirn. »Wen denn? Welchen Zauberer?«
»Marlin Pickard«, antwortete Kahlan.
»Marlin!« Ann schüttelte seufzend den Kopf. »Der arme Junge. Was ist aus ihm geworden?«
»Die Mutter Konfessor hat ihn umgebracht«, antwortete Cara ohne Zögern. »Sie ist eine wahre Schwester des Strafers.«
Ann faltete die Hände im Schoß und beugte sich zu Kahlan hinüber. »Aber wie hast du nur herausgefunden…«
»Wir gingen davon aus, daß er etwas Ähnliches noch einmal versuchen würde«, unterbrach Richard sie, Anns Aufmerksamkeit wieder auf sich lenkend. »Aber die Frage ist doch, kann ein Traumwandler in den Verstand eines … von etwas anderem als einem Menschen eindringen?«
Ann überdachte die Frage mit mehr Geduld, als sie nach Kahlans Ansicht verdiente. »Nein, ich glaube nicht.«
»Du ›glaubst nicht‹.« Richard neigte den Kopf zur Seite. »Ist das eine Vermutung, oder bist du sicher? Es ist wichtig. Bitte, stell keine Vermutungen an.«
Sie wechselte einen langen Blick mit Richard und schüttelte schließlich den Kopf. »Nein, dazu ist er nicht fähig.«
»Sie hat recht«, beteuerte Zedd erneut. »Ich bin über seine Fähigkeiten gut genug unterrichtet, um zu wissen, was er nicht kann. Eine Seele ist Voraussetzung, eine Seele wie seine eigene, ansonsten funktioniert es einfach nicht. Genau wie er seinen Geist nicht in einen Felsen projizieren kann, um festzustellen, was dieser
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