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Die Seele des Ozeans (German Edition)

Die Seele des Ozeans (German Edition)

Titel: Die Seele des Ozeans (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Britta Strauss
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ihr über das Haar, ohne zu ahnen, dass es diese Berührung noch schlimmer machte. „Aber er ist für euch beide gestorben. Begreife das doch. Wenn du dich und dein Kind aufgibst, war sein Opfer umsonst.“
    Überall war Blut. Sie spürte es auf ihrem Gesicht, roch es, schmeckte es. Und sah, wie es sein Hemd durchnässte. Eine Kugel hatte ihn am Rücken getroffen, eine andere an der Schulter. Und das Licht, das ihn hätte retten können, war erloschen. Ihretwegen.
    „Es ist wirklich geschehen, nicht wahr?“ Fae sprach wie in Trance.
    Alles schien aus Glas gemacht zu sein. Künstlich und zerbrechlich. „Das Ungeheuer hat ihn gefressen. Es hat Henry getötet. Es ist alles wirklich geschehen.“
    „Ja“, sagte Ukulele. „Und wir müssen damit leben.“
    „Aber was, wenn seine Seele vernichtet ist?“ Als sie diese Worte aussprach, begriff Fae, dass das ihre größte Angst war: Kjells völlige Vernichtung. „Dieses Ungeheuer hat ihn gefressen. Was, wenn nichts mehr von ihm übrig ist?“
    „Nein.“ Alexanders Stimme klang so fest, als glaubte er wirklich an seine Worte. „Kjell hat dir seine Kraft geschenkt, bevor er gestorben ist. Er konnte seine Seele befreien. Daran glaube ich ganz fest. Alles, was Breac und das Monster bekamen, war eine leere Hülle. Nichts als …“
    „… Fleisch“, führte sie seinen Satz flüsternd zu Ende.
    Fae streichelte ihren Bauch und versuchte, einen Rest von Kjells Nähe zu fühlen. Irgendetwas, das ihr bewies, dass ein Teil von ihm überlebt hatte. In ihr war sein Kind, sein Geschenk. Oh, wäre sie doch damals nur ertrunken. Alles wäre vorbei gewesen. Kjell hatte sie an jenem Abend gerettet, weil sie dumm gewesen war. Er hatte sich für sie in Gefahr gebracht, hatte die Lichtwesen für ihre Heilung geopfert, hatte seine Heimat für sie aufgegeben. Ihretwegen waren er und Henry gestorben.
    Mechanisch nahm sie die Gabel wieder auf und begann zu essen. Bissen für Bissen, obwohl ihr übel davon wurde. Als der Teller leer war, hielt sie es im Haus nicht mehr aus. Die Wände rückten auf sie zu und drohten sie zu zerquetschen. Fae sprang auf, nahm den Mantel von der Garderobe und rannte nach draußen. Es war längst dunkel, der Himmel klar und gesprenkelt von Sternen. Gleichgültig. Schönheit existierte nur, wenn sie sie mit Kjell teilen konnte.
    Fae lief zu den Klippen hinauf, stellte sich an den Rand und spürte den Schwindel, der sie übermannte. Ein Hauch seiner Nähe lag im salzigen Wind, in dem unermüdlichen Rhythmus der Wellen und der wilden, frischen Nacht. Aber zugleich war das Meer leer, weil Kjell nicht dort draußen war. Es war kein magischer Ort mehr. Kein Mysterium voller Wunder. Sie sah auf die endlose, schwarze Fläche hinaus und wünschte sich, tief hinabzutauchen, tiefer und tiefer, bis hin zu dem Licht.
    Und dann würde sie sich verbrennen lassen, um diese Welt zu verlassen. In der Ferne, auf der anderen Seite, wären sie wieder vereint.
    „Kleines.“ Alexander stand hinter ihr. Er wagte es nicht, nach ihr zu greifen. „Bitte komm zurück.“
    „Keine Angst. Ich stürze mich nicht in das Meer.“
    „Dann komm zurück.“
    Fae wandte sich zu ihrem Bruder um. „Wir waren keine drei Monate zusammen. Manche würden sagen, dass das eine kurze Zeit ist. Aber ich habe das Gefühl, ein ganzes Leben mit ihm verbracht zu haben.“
    „Ich weiß.“ Alexander wich ihrem Blick aus. „Seit das passiert ist, glaube ich an das Schicksal. Und daran, dass zwei Wesen zusammengehören.“
    „Warum sind wir dann nicht zusammen?“, fauchte sie zurück. „Warum ist er tot und ich lebe?“
    „Ihr werdet euch wiedersehen. Du weißt, woran Kjell glaubte.“
    Fae seufzte und legte die Hände auf ihren Bauch. Es war das Einzige, das eine Spur Trost in sich barg, zusammen mit den Erinnerungen, die wie die Splitter eines einst wunderschönen Mosaiks darauf warteten, berührt und liebkost zu werden.
    Sie befreite sich aus Kjells Armen und tat ein paar Schwimmzüge. Große Körper durchbrachen das Wasser, huschten unter ihr hinweg, streiften ihre Haut und berührten sie mit ihren Schnauzen. Doch sobald sie nach den Delfinen griff, entwischten sie ihr mit einer schnellen Drehung. Manchmal strichen ihre Fingerspitzen über glatte, feste Haut, doch meist spürte sie nur einen Wasserwirbel, hervorgerufen durch die blitzschnellen Bewegungen der Tiere. Fae drehte sich auf den Rücken und streckte die Arme aus. Sanft hob die Dünung sie auf und ab, reinigte ihre Gedanken und wischte

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